Am Sonntag trifft der HSV auf Werder Bremen - und die Zeit ist reif für Frotzeleien zwischen Fischköppen und Rothöschen

Mit Karneval haben sie bekanntlich nicht viel am Hut, die Hanseaten, auch nicht gut zwei Wochen vor Rosenmontag. Wenn es jedoch darum geht, olle Kamellen auszugraben, sind sie ungeschlagen - was man von den Fußballclubs in Hamburg und Bremen aktuell nicht gerade behaupten kann.

Schon vor ein paar Tagen ging's los. Vom 98. Nordderby an diesem Sonntag am Volkspark beseelt, wurde heftig vom Leder gezogen. "Im Norden auf ewig die Nummer eins", höhnten die Bremer trotz des 0:5 gegen Dortmund jüngst in Anspielung auf die seit Jahrzehnten führende Stellung ihres ruhmreichen SV Werder in der Fußball-Bundesliga. Zwar ist aktuell der HSV in der Tabelle vorn, doch ist dies aus Bremer Sicht nur eine Momentaufnahme. "Ihr könnt gewinnen", konterten die Liebhaber des HSV, "aber nach dem Abpfiff müsst ihr zurück nach Bremen."

"Was ist das Beste an Hamburg?", fragten Werderaner rhetorisch. Die Autobahn nach Bremen! Das geht auch umgekehrt - neuerdings ja dreispurig. Entsprechend wurde der Zweistädtestaat an der Weser als "Norden von Delmenhorst" veralbert. Der Bremer Konter: "Außer Sylvie könnt ihr keinen schlagen!"

Parallel bastelten die Bremer Buttons mit der Aufschrift: "I love Papierkugeln." Von einer eben solchen war der Spielball vor vier Jahren dezent abgefälscht worden und hatte den Bremern einen weiteren Volltreffer sowie einen legendären Triumph in der heiß geliebten Feindesstadt beschert. "Fischköpfe", unken die einen, "Rothöschen" frotzeln die anderen.

So geht das seit Jahren, Jahrzehnten, eigentlich seit Jahrhunderten. Der Ärger begann, als Erzbischof Ansgar nach der Plünderung der Hammaburg anno 845 seinen Amtssitz von der größeren Stadt an der Elbe in die kleinere an der Weser verlegte. Ein Affront, der den Pfeffersäcken in Hamburg schwer auf dem Magen lag. Wohl bis vor 656 Jahren, der Premiere des noch heute genussvoll zelebrierten Matthiae-Mahls. Dagegen begründeten die Bremer ihre Schaffermahlzeit "erst" vor 468 Jahren. "Schaffen, Schaffen unnen un boven, unnen un boven Schaffen!" sagen sie seitdem, bevor getafelt wird. Und gegenüber dem Rathaus, über dem Portal des Kaufmannsdomizils Schütting, steht in goldenen Lettern geschrieben: "Buten un binnen, wagen un winnen."

Diese Sprache verstehen sie von jeher exzellent - hier wie dort. Wobei sich traditionell ein skurriles Verhältnis ergibt: Bei aller Konkurrenz hält man in der Fremde zusammen. Konsuln, Reeder, Spediteure und Kaufleute berichten von herzlicher Brüderschaft der Bremer und Hamburger im Ausland. Doch sobald sie unter sich sind, treibt die uralte Rivalität neue Blüten. Mancher nennt es Hassliebe, doch eigentlich ist es viel mehr: Beide Städte trennen Welten. Immer schon. Sind es nicht Fragen grundsätzlicher Qualität, die für Aufregung sorgen? Zischt Beck's besser oder Holsten? Schmeckt Grünkohl mit Pinkel oder Schweinebacke erst so richtig rund? Bei der Vorstellung, dazu karamellisierte Kartoffeln verspeisen zu müssen, revoltiert der Bremer Magen. Ist der Dom oder der Freimarkt das bessere Fest?

Die Bremer haben eine richtige Altstadt, den Schnoor, und ein Sechstagerennen, zu dem stets "halb Hamburg" anreist. Die Hamburger haben, angeblich, Weltstadtflair und eine Alster, die zufrieren kann. "Die Dörfler", flachsen sie jene "von da drüben".

Dabei sitzt in beiden Städten ein Roter als Primus inter Pares im Rathaus. Beide lassen zu Hause die Container rotieren und das Geld rollen. Bilanzierend indes erweisen sich die Bremer als ausgebufftere Strategen: Via Länderfinanzausgleich füllte Hamburg bis zuletzt das klamme Stadtsäckel der Bremer. Obwohl die Rivalin an der Weser eine verblüffend hohe Millionärsdichte aufweist. Neuerdings kassieren nun auch die Hamburger.

Unterm Strich steht fest: Wer sich mag, der neckt sich. Am Sonntag um 15.30 Uhr indes gilt: Die Wahrheit ist aufem Platz! Und im Gegensatz zu den jecken Rheinländern ist in Hamburg wie Bremen am Rosenmontag längst wieder alles vorbei.