Mehr als nur ein Transportmittel: Mit den neuen Segways will sich der Friedhof im Stadtteil Ohlsdorf behutsam für neue Besucher öffnen.

Bramfeld. Der Friedhof ist ein Ort der Trauer. Ein Ort der Ruhe, der Erinnerung und der Besinnung auf die Endlichkeit der menschlichen Existenz. Aber der Friedhof Ohlsdorf ist mit 391 Hektar auch die größte Grünanlage der Stadt. Und die Friedhofsverwaltung will mehr Menschen anziehen und ihnen auch etwas bieten. Zum Beispiel Segways, um das riesige Areal besser genießen und erkunden zu können.

Zu Ostern geht es los. Dann sollen das ehemalige Toilettenhäuschen am Bramfelder See samt Pförtnerhäuschen am Eingang Bramfeld hergerichtet sein. 25.000 Euro will die kleine Steilshooper Firma eco2go investieren, das kleine Café mit Terrasse und die Werkstatt öffnen und Segways (24 Euro die Stunde), Fahrräder sowie kleine Elektromobile (zum Beispiel Dreiräder) verleihen. Ist so viel Leben vereinbar mit der gebotenen Pietät einer letzten Ruhestätte?

"Absolut", sagt Friedhofssprecher Lutz Rehkopf. "Ich bin selbst nach einer kurzen Einweisung auf dem Friedhof Probe gefahren. Die Segways sind leiser, sicherer und langsamer als Fahrräder. Und die Reaktionen der Leute, die mich fahren sahen, waren nicht abwehrend, sondern aufgeschlossen. Viele wollten auch mal fahren. Aber ohne vorherige Einweisung ging das ja nicht."

Zwischen zwei Rädern steht der Fahrer auf einer Plattform und hat eine Lenkstange in der Hand, die aber in erster Linie zum Festhalten dient. Er steuert, beschleunigt und bremst durch Gewichtsverlagerung, jedes Rad wird durch einen eigenen Elektromotor angetrieben. Ein Chip analysiert die Körperhaltung 100-mal pro Sekunde und gibt die Steuerungsbefehle an die Räder weiter. Auf den Ohlsdorfer Fahrstreifen und Erschließungswegen sollen Segways erlaubt sein, an Gräbern nicht. "Die Fahrzeuge sind so leise, sie könnten Leute erschrecken." sagt Michael Peter von eco2go.

Eine kurze Einweisung für Neukunden auf dem Segway wollen Peter und seine Leute von eco2go auf ihrem Übungsplatz in der Steilshooper Gründgensstraße 22 geben. Den Führerschein wird man in Steilshoop und Ohlsdorf machen können (dauert eine Stunde, kostet 40 Euro). In Steilshoop dürfen auch Kinder fahren (ab acht Jahren und 25 Kilo Gewicht), weil der Übungsplatz Privatgelände ist, in Ohlsdorf muss der Fahrer mindestens 15 Jahre alt sein und einen Mofaführerschein haben.

Peter träumt von müßigen Stunden auf der von opulentem Grün umgebenen Terrasse, von Kaffee und Kuchen, die Leib und Seele zusammenhalten. Von Picknickkörben und Decken für die, die auf dem Friedhof auf Tour gehen wollen. 17 Kilometer Straßennetz gibt es auf dem größten Parkfriedhof der Welt. Peter bietet auch geführte Friedhofs-Touren an, die bisher immer von Steilshoop aus starten mussten.

"Das Fahren auf dem Friedhof macht viel mehr Spaß als im Stadtpark", sagt Peter. "Der Park ist schöner, er ist größer, es gibt viel mehr Wege und, was nicht zu unterschätzen ist: Es gibt keine Griller." Die Mietverträge für die Segway-Station sind abgeschlossen, die Genehmigungen in den Bezirken Wandsbek und Nord beantragt. Das Projekt ist ein "Grenzgänger": Das Toilettenhäuschen selbst steht auf dem Gebiet des Bezirks Nord, die Außengastronomie aber soll auf Wandsbeker Territorium laufen. Im neuen Segway-Café, das musste Peter garantieren, wird auch eine öffentliche Toilette sieben Tage die Woche offengehalten.

Die Kommunalpolitik sieht das Projekt positiv. "Endlich gibt es eine Lösung für das seit Jahren verwitternde Toilettenhäuschen", sagt Carsten Heeder, SPD-Fraktionschef im Regionalausschuss Bramfeld. "Es wäre allerdings schön, wenn das Projekt noch im Stadtteilbeirat Steilshoop vorgestellt werden könnte." Im Stadtteil gebe es noch Vorbehalte gegen das einachsige Elektromobil, das allerdings nur sechs Stundenkilometer schnell ist. Segways haben zudem ein Nummernschild, sodass Falschfahrer für eine erneute Anmietung gesperrt werden können.

Der Friedhof will die behutsame Öffnung. Sie soll der Tabuisierung des Todes im Denken der Menschen entgegenwirken. "Wir sind dankbar für Impulse von außen und für Angebote, die wir selbst nicht machen können", sagte Rehkopf. "Der Friedhof kann seine tröstliche Wirkung viel besser entfalten, wenn seine Schönheit früh erfahren wird und das erste Kennenlernen nicht negativ ist", sagt Rehkopf.