Es kommt häufig vor, dass Gewerkschafter und Arbeitgeber sich streiten. Auch Streiks zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Interessen sind keine Seltenheit und als Druckmittel sogar durch die Verfassung gedeckt. Gerade in den wilden 1970er-Jahren machten kampferprobte Gewerkschafter auf ihre Forderungen martialisch aufmerksam, indem sie sich an Werkstore ketteten und so Streikbrecher zeitweise am Zugang zu Betrieben hinderten. Selbst diese Konfrontation ist in einem Rechtsstaat akzeptabel. Doch was derzeit beim Hamburger Verpackungshersteller Neupack geschieht, kann niemand mehr gutheißen. Der Machtkampf zwischen der Gewerkschaft IG BCE und der Neupack-Geschäftsführung ist aus den Fugen geraten. Dass Leiharbeiter, die den Betrieb bei Neupack aufrechterhalten sollen, von Streikenden angespuckt und beschimpft werden, ist bereits nicht hinnehmbar. Dass aber ein Leiharbeiter in einer Pension aufgesucht und krankenhausreif geprügelt wird, ist nicht nur inakzeptabel, sondern kriminell.

Gewerkschaft und Geschäftsführung müssen zur Vernunft kommen und einen Kompromiss finden. Die Entscheidung der IG BCE, alle Streikenden nach drei Monaten Ausstand von heute an - mit nur einem Tag Vorankündigung - wieder zur Arbeit zu schicken, birgt neuen Sprengstoff. Schließlich haben die bei Neupack beschäftigten Leiharbeiter Verträge bis Ende März. Langzeit-Streikende und Streikbrecher treffen also heute im Betrieb aufeinander. Es droht die nächste Stufe der Eskalation. Und die Verantwortlichen schauen zu.