Moorburg & Co.: Der Staat muss auf die Klagen der Umweltverbände reagieren

Die Sektflaschen bei den Hamburger Umweltverbänden müssten so langsam zur Neige gehen, schließlich gab es in den vergangenen Wochen und Monaten diverse Gründe zu feiern: Erst konnte die Elbvertiefung zumindest verzögert, jetzt das Kohlekraftwerk Moorburg an den Rand der Unwirtschaftlichkeit gebracht werden. Jeweils folgten Gerichte der Argumentation von BUND und/oder Nabu und kippten die Vorhaben von Staat und Wirtschaft.

Das Machtgefüge verschiebt sich durch die Möglichkeiten, die die Verbandsklagen eröffnen - nicht mehr der einzelne Betroffene zieht für seine Belange vor Gericht, sondern gut organisierte Lobbyisten im vorgegebenen Sinne der Allgemeinheit - so immer weiter in den außerparlamentarischen Bereich. In den vergangenen Monaten verloren deswegen manche etwas die Nerven, zuletzt Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer in seiner Silvester-Ansprache zum Ehrbaren Kaufmann, als er das Verhalten der Verbände sinngemäß als undemokratisch geißelte. Andere vor ihm forderten, den Verbänden die finanzielle Unterstützung zu entziehen. Das ist einerseits verständlich, denn der Schaden für die Stadt und die Wirtschaft ist belegbar: Reedereien buchen ihre Containerschiffe um, wenn sie nicht ausreichend beladen die Hafenkräne ansteuern können, und der Strompreis steigt mutmaßlich für Privathaushalte und Gewerbekunden, wenn das Kraftwerk Moorburg Kühlung mit Strom gewährleisten muss.

Andererseits ist der Rechtsstaat eben zum Glück nicht gebunden an wirtschaftliche Entwicklung - zumal auch hier ja diverse mächtige Lobbygruppen agieren -, sondern an die geltenden Gesetze. Die Herstellung von Rechtsfrieden ist eine der tragenden Säulen unserer Gesellschaft, auch wenn es zuweilen wehtut. Und einige Male haben ja tatsächlich auch Umweltverbände schon verloren, wobei sicher nicht ganz auszuschließen ist, dass derzeit eine Generation von Richtern am Werk ist, die ein eher distanziertes Verhältnis zu allgemeinen und gar ökonomischen Belangen hat und Partikularinteressen besonders hoch einschätzt.

Die Politik agiert in diesem Minenfeld als Gesetzgeber in den Parlamenten, indem seit einiger Zeit versucht wird, mit dem Ziel der Stimmenmaximierung möglichst jeder gesellschaftlichen Gruppe gerecht zu werden; in der Exekutive, also in der Regierungsverantwortung, wird dann mit ebendiesen Vorschriften gehadert. Heraus kommen Vorhaben, die eher dem Prinzip Hoffnung folgen und handwerklich selten wetterfest sind und die auch deswegen von den findigen Juristen etwa der Umweltverbände seziert werden. Der Klageerfolg ist die logische Folge.

Das Rad lässt sich so einfach nicht mehr zurückdrehen, aber das Aufheulen der einst so Mächtigen aus Politik und Wirtschaft ist auch nicht mehr zu ertragen. Besser wäre es, die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes preiszugeben ist dabei keine Option, wohl aber, die Rahmenbedingungen zu verändern, in denen diese Auseinandersetzungen stattfinden. Ein Weg ist, genauer und unter Einbeziehung aller möglichen Klagemöglichkeiten exaktere Gesetze und Vertragswerke zu verfassen, und das im Zweifel auch unter Einbeziehung jener, die sonst sowieso klagen werden, weil es nicht nur ihre Berufung ist, sondern längst auch ihr Beruf.

Zudem ist der Faktor Zeit entscheidend: Überlastete Gerichte, die jahrelange Verfahren zur Folge haben, sind auch Teil des unrühmlichen Spiels. Wenn es dem Staat ernst ist, muss er hier für eine Beschleunigung sorgen, im Zweifel auch schlicht durch mehr Personal. Eine Investition, die sich schnell lohnen dürfte - für das Gerechtigkeitsempfinden der Gesellschaft, aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.