Hayo Janssen ist der Neue an der Bugenhagenschule der Stiftung Alsterdorf. Ein schwerer Job: Seine beliebte Vorgängerin wurde freigestellt.

Hamburg. Plötzlich war er Schulleiter. Von nahezu einem Tag auf den anderen wechselte Hayo Janssen im vergangenen November seinen Job als stellvertretender Schulleiter der Bugenhagenschule in Alsterdorf zur Dependance in Blankenese. Und die Voraussetzungen scheinen nicht die besten zu sein: Viele Eltern wollten gar keine neue Schulleitung.

Für sie völlig überraschend, hatte sich der Träger der privaten Schule, die Evangelische Stiftung Alsterdorf, von der sehr beliebten und anerkannten Schulleiterin Juliane Troje getrennt (wir berichteten). Die Eltern waren entsetzt. Und noch immer herrscht Unruhe an der Schule: Eltern sind unzufrieden mit dem Träger.

Vielleicht war es gut, dass Hayo Janssen in der Vorweihnachtszeit seinen neuen Job in Blankenese antrat - einer Zeit, in der Eltern, Schüler und Lehrer häufiger zusammenkommen. Das war auch für den 41-Jährigen eine gute Gelegenheit, sich bekannt zu machen. "Es war ein Sprung ins kalte Wasser", sagt er. Und er sagt, dass er solche Situationen mag. Als Läufer, der gern einen halben oder ganzen Marathon läuft, hat er gelernt, geduldig zu sein und einen langen Atem zu haben.

Von den 50 neuen Kollegen sei er zwar herzlich aufgenommen worden. Bei den Eltern hingegen sei ein längerer Atem notwendig, sagt Janssen. "Sie waren mit meiner Vorgängerin sehr zufrieden und hatten mich am Anfang nicht akzeptiert. Das war eine völlig absurde Situation."

Wie berichtet, ist die frühere Schulleiterin Juliane Troje bis Mitte dieses Jahres freigestellt. Nach Abendblatt-Informationen soll es zwischen ihr und dem zuständigen Bereichsleiter der Stiftung Alsterdorf Probleme gegeben haben. Offiziell hieß es, man habe sich trennen müssen, weil es "unüberbrückbare Situationen gab und man keine gemeinsame Basis für eine weitere Zusammenarbeit gefunden hat".

"Der Weggang von Frau Troje belastet die Schule sehr", sagt Yvonne Schüttke. Drei ihrer vier Kinder besuchen die Bugenhagenschule. Es sei noch längst nicht alles ruhig. "Unsere Unzufriedenheit richtet sich nicht gegen Herrn Janssen, sondern gegen den Träger der Schule, die Stiftung Alsterdorf. Wir zahlen Schulgeld und haben eine große Erwartung an den Träger." So fehlten eine eigene Turnhalle oder ein Klettergerüst auf dem Schulhof. "Wir erwarten eine gewisse Grundausstattung."

Juliane Troje habe sich immer sehr stark für die Belange der Schule gegenüber der Stiftung eingesetzt und massiv Spendengelder eingeworben. "Die Schule war ihr Leben. Sie hat die Schule gelebt, mit Herzblut", so Frau Schüttke. Der neue Schulleiter verkörpere dagegen wenig Sicherheit.

Die Berührungsängste der Eltern respektiert Janssen. Sie machen die tägliche Arbeit nur manchmal etwas schwieriger. Er ging gleich in die Offensive und stellte sich vor etwa 200 Eltern im Dezember im Gemeindehaus vor. Noch in diesem Monat möchte er die Elternvertreter einladen. Kritische Mütter und Väter kennt Hayo Janssen auch aus Alsterdorf, aber Blankenese, das sei ein anderes Umfeld, sagt er und meint damit vielleicht, dass er sich noch mehr anstrengen muss.

Es sei der besondere Geist an den fünf Bugenhagenschulen, den er so schätze, sagt Hayo Janssen: "Du, genauso wie Du bist, bist Du willkommen. Das ist etwas Besonderes." Eine gute Atmosphäre allein genügt nicht. Jetzt geht es für den gebürtigen Ostfriesen an die handwerkliche Arbeit.

Die Bugenhagenschule in Blankenese ist eine Schule im Aufbau. 2008 mit zwei 5. Klassen gestartet, sind die damaligen Fünftklässler jetzt in der 9. Jahrgangsstufe, eine weiterführende 11. gibt es noch gar nicht. Die müsse aufgebaut werden. Andere Themen sind das jahrgangsübergreifende Lernen, auch die Inklusion von Kindern mit Einschränkungen und Behinderungen "drängt und brennt", sagt er. 40 bis 50 Schüler sind Inklusionsschüler. Auf 20 Kinder kommen im Schnitt 4 "I-Kinder". Jede Klasse arbeitet mit einer Doppelbesetzung an Pädagogen. "Es ist eine Herausforderung, Lehrpläne zu erarbeiten, die alle Entwicklungswege abdecken."

Janssen, der mit seiner Frau und seiner dreijährigen Tochter auf St. Pauli lebt, hat an der Hochschule für bildende Künste am Lerchenfeld und auf Sonderschul-Lehramt studiert. "Mit 20 Jahren als freier Künstler zu leben, wäre zwar aufregend gewesen. Mit zunehmendem Alter sieht man das aber anders", sagt er und lacht.

Der Lehrerberuf schien dem gebürtigen Ostfriesen da schon bodenständiger. Er ist wohl auch zu gern mit Menschen zusammen, als sich auf Dauer eigenbrötlerisch der bildenden Kunst widmen zu können. In Wohngruppen der Stiftung Alsterdorf hat er gearbeitet, "und morgens die Leute aus dem Bett geklingelt und mit ihnen die Freizeit gestaltet".

Hayo Janssen hat auch die besondere Entwicklungsbiografie von Menschen mit schwerer geistiger Behinderung erforscht. "Nicht jeder hat die gleichen Entwicklungsschritte."

Und genau das trifft auch auf die knapp 300 Schüler an seiner Schule zu. Deshalb gilt an den Bugenhagenschulen, wie auch inzwischen an vielen staatlichen Schulen, das individualisierte Lernen. Die Zeiten des Frontalunterrichtes sind vorbei.

Wenn es heute Abend nicht wieder zu spät wird, dann zieht sich Janssen wohl seine Joggingschuhe an und läuft die etwa 13 Kilometer von Blankenese nach Hause, als Vorbereitung auf den nächsten Marathon.

Allerdings muss er bis 19.30 Uhr zu Hause sein. Denn der Schulleiter hat noch eine ganz wichtige Aufgabe: Sein Job ist es, seine kleine Tochter abends ins Bett zu bringen.