Der Streit im Wandsbeker Wohnungsunternehmen WHW eskaliert. Im Mittelpunkt des Konflikts steht ein Bürgerschaftsabgeordneter.

Hamburg. Eigentlich soll die Wohnungsgenossenschaft Hamburg-Wandsbek von 1897 (WHW) ihren Mitgliedern günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen. Doch seit Monaten steht dieser Auftrag im Hintergrund - denn die Gremien sind anderweitig beschäftigt: mit Grabenkämpfen.

Im Mittelpunkt: der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Ralf Niedmers, seit Juli 2010 hauptamtlicher Vorstand, sowie sein Vorstandskollege Detlef Siggelkow. Auf der anderen Seite der Aufsichtsrat. Das Kontrollgremium der WHW, die mehr als 3100 Wohnungen besitzt und 24 Mitarbeiter hat.

Wie zerrüttet das Verhältnis ist, wird in einem zehnseitigen Brief (liegt dem Abendblatt vor) an den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) deutlich. Der VNW ist die Interessenvertretung der genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen und prüft deren Jahresbilanz.

Das Schreiben, gerichtet an Verbandsdirektor Joachim Wege, wurde unterzeichnet vom Aufsichtsratsvorsitzenden Dennis Timmlau und den Aufsichtsratsmitgliedern Arno Parieser und Jörg Preißkorn. Inzwischen hat Timmlau nach massiven Meinungsverschiedenheiten mit Niedmers und Siggelkow sein Amt zum Jahresende niedergelegt. Timmlau galt lange Zeit als Vertrauter von Niedmers und sitzt für die CDU in der Bezirksversammlung Wandsbek. Zwei weitere Aufsichtsratsmitglieder hatten ihre Mandate ebenfalls im vergangenen Jahr niedergelegt. Damit gibt es nur noch drei Kontrolleure: neben Parieser und Preißkorn auch Björn Hauto.

Die Liste der Vorwürfe in dem Schreiben an den VNW ist lang. Die Aufsichtsräte monieren, dass sie in ihrer "Arbeit behindert" und ihnen ihre "Rechte" verwehrt werden. Der Vorstand habe sich geweigert, eine Liste der Vertreter (die aus den Reihen der Genossenschaftsmitglieder gewählt werden) auszuhändigen, damit diese über "bedenkliche Entwicklungen" informiert werden können. Inzwischen soll die Liste vorliegen.

Worum es geht, wird dann im weiteren Verlauf des Briefs deutlich. Das, was jetzt folgt, soll sich im Herbst abgespielt haben: "In der Aufsichtsratssitzung (...) baten die Vorstände ohne jegliche Not und ohne konkreten Anlass um eine Gehaltserhöhung von zehn Prozent." Dieses Gesuch lehnte der Aufsichtsrat einstimmig ab.

Die "Vorstandsmitglieder reagierten sehr ungehalten, und insbesondere Herr Niedmers erhob in einem Telefonat mit Herrn Timmlau mehrmals seine Stimme", heißt es in dem Schreiben weiter. Timmlau wollte sich ebenso wenig dazu äußern wie Niedmers und Siggelkow. Unterdessen erhält Timmlau in dem Brief an den VNW Rückendeckung von den beiden Mitunterzeichnern Parieser und Preißkorn: "Wir sind über die skrupellose Vorgehensweise der Vorstandsmitglieder fassungslos und erschüttert." Im weiteren Verlauf wird kritisiert, dass die Vorstandsmitglieder "so weit es geht unsere Einflussmöglichkeiten beschränken".

Im weiteren Verlauf des Briefs machen die Aufsichtsräte auch noch ihre Sorgen wegen des WHW-Bauvorhabens an der Tonndorfer Hauptstraße Luft: "Angesichts des Investitionsvolumens von 27 Millionen Euro, was in etwa einem zweifachen Jahresumsatz (netto) und über einem Viertel der Bilanzsumme entspricht, halten wir die derzeit geplanten Ausführung des Vorhabens für zu riskant." Der VNW gibt sich einsilbig. "Uns sind die Vorkommnisse bekannt", sagt Sprecher Peter Hitpaß.

Der WHW-Vorstand hat für heute eine außerordentliche Vertreterversammlung einberufen. Nun soll es Aufsichtsratsmitglied Preißkorn treffen: Seine Abwahl ist Tagesordnungspunkt 4. Antragsteller ist der Genossenschaftsvertreter Joachim Blümel. Die Begründung: "ungeordnete wirtschaftliche Verhältnisse". Das macht Vertreter Norbert Demir wütend: "Dieser Abwahlantrag ist unmöglich; es gilt zu klären, wie der Antragsteller Blümel zu den Informationen über die angeblichen ungeordneten wirtschaftlichen Verhältnisse von Herrn Preißkorn gekommen ist." Die Weitergabe dieser Informationen hält Demir aus "Datenschutzgründen für sehr bedenklich". Er überlegt, Strafanzeige zu erstatten.

Zum Hintergrund: Jörg Preißkorn ist auch Mieter der Genossenschaft. Seit 2010 gab es bei der Abbuchung der Miete mehrfach Rücklastschriften von seiner Bank. Die Mieten überwies Preißkorn dann ein paar Tage später. Daran hatte sich die Genossenschaft offensichtlich bislang nicht gestört. Doch nach der Auseinandersetzung mit dem Vorstand, ob Zufall oder nicht, bekam Jörg Preißkorn Anfang Dezember Post von Rechtsanwalt Jörg Hamann im Auftrag der WHW-Vorstände und wurde abgemahnt. Aber Preißkorn behauptet in einem Brief an Anwalt Hamann sinngemäß, dass Niedmers und Siggelkow seit Mitte 2010 über mögliche Rücklastschriften informiert waren, weil es vorkommen könne, dass Preißkorns Arbeitgeber das Gehalt verspätet anweist.

Auf jeden Fall dürfte es auf der Vertreterversammlung zu heftigen Diskussionen kommen. Denn es steht auch die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf der Tagesordnung. Nach Abendblatt-Informationen soll dann auch ein prominenter Parteifreund und enger Vertrauter von Niedmers für einen Aufsichtsratsposten vorgeschlagen werden: Detlef Gottschalck, ehemaliger Chef der Senatskanzlei, wollte sich zu einer möglichen Kandidatur nicht äußern.

Vertreter Demir hat nur einen Wunsch: "Die Abwahl von Herrn Preißkorn ist unbedingt zu verhindern, denn die Genossenschaft braucht kritische Aufsichtsräte." Ansonsten bestünde die Gefahr, dass es bald einen Aufsichtsrat von Vorstandsgnaden gebe.