Diskussion über ein Hamburger Duell: Verwunderung über Steinbrück, klare Vorteile für Merkel

Der eine oder andere Politiker mag mit Panik an die Bundestagswahl im Herbst denken, für Panik-Rocker Udo Lindenberg ist der Fall ziemlich klar. "Ich glaube, die Leute sind zurzeit noch nicht ready für den Wechsel", sagte Lindenberg, der auf dem Neujahrsempfang des Abendblatts vorbeischaute, als viele Gäste schon gegangen waren. Er sei eigentlich ein Kind von der Straße und komme von den "bunten smarties" - den Bürgerinitiativen und Grünen, habe aber Freunde in allen Parteien, um dann allen auch ein bisschen Hoffnung zu machen: "Bis zur Wahl kann ja noch einiges passieren!" Dabei machte Udo aus seiner persönlichen Präferenz keinen Hehl. "Ich denke, wir sollten an den Start kommen mit der Panik-Partei. Das wäre die Lösung", sagte Lindenberg, pustete den Rauch seiner Zigarre aus und enteilte.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) oder ihr Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) - wer von den beiden Hamburgern das Rennen um das Kanzleramt macht, war auf dem Neujahrsempfang eine ziemlich eindeutige Sache. "Frau Merkel wird Kanzlerin bleiben", sagte Dirk Reimers, Ex-Staatsrat für die SPD und Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Nationalstiftung. Es gebe keine Wechselstimmung und Merkel habe höhere Sympathiewerte als Steinbrück. Dann sagte Reimers etwas, was offensichtlich viele Gäste im Hotel Atlantic so ähnlich auch dachten: "Das forsche Vorgehen des SPD-Spitzenkandidaten ist nicht dazu angetan, Vertrauen in seine Fähigkeit zu schaffen, das Land ruhig zu regieren."

Aufschlussreich war die Reaktion des schleswig-holsteinischen FDP-Fraktionschefs Wolfgang Kubicki. "Merkel gewinnt, weil Steinbrück sich nicht so verhält, wie ich es von ihm erwartet habe." Für den streitbaren Liberalen, der schon mal mit einem rot-gelben Bündnis liebäugelt, war die von Steinbrück losgetretene Diskussion über das angeblich zu geringe Gehalt des Bundeskanzlers offensichtlich nur das vorläufige Ende in einer Reihe von publizistischen Fehltritten. Steakhaus-Gründer Eugen Block fand eine noch kürzere Formel: "Peer Steinbrück schießt sich selbst ins Aus."

Keine einfache Lage also für Sozialdemokraten. "Frau Merkel macht das Rennen insofern, als die Union stärkste Fraktion im Bundestag wird", sagte Altbürgermeister Henning Voscherau und gestandener Sozialdemokrat. Immerhin. "Aber Frau Merkel verliert, weil sie keine Mehrheit im Bundestag haben wird", setzte Voscherau hinzu und war damit wieder auf der SPD-(Zweck-)Optimismus-Schiene. Bei der Frage, welche Koalition die Bundesrepublik in Zukunft regieren wird, wollte sich der Altbürgermeister nicht festlegen. Nur so viel: "Die Regierungsbildung wird ein sehr spannendes Tauziehen."

Ralf Stegner, der Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen SPD, ist sich wie Voscherau sicher, dass Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr haben wird. Aber Stegner - das ist dann doch etwas überraschend für einen Sozialdemokraten - sieht keine ausgeprägte Wechselstimmung. "Angela Merkel setzt offenbar darauf in einer Großen Koalition weiter Kanzlerin bleiben zu können“, sagte Stegner. Allerdings erhofft sich der Schleswig-Holsteiner einen Schub von der Niedersachsenwahl am 20. Januar. "Auch wenn wir nicht stärkste Partei werden, können wir dort die Regierung übernehmen." Ole von Beust habe das mit der CDU in Hamburg ja 2001 vorgemacht.

Auch Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan erhofft sich Rückenwind für Rot-Grün auf Bundesebene von der Entscheidung in Niedersachsen. "Dann sollte es eigentlich möglich sein, auch im Bund eine Mehrheit für Rot-Grün zu holen", sagte der Grüne, der auch keine Antwort darauf hat, warum Steinbrück immer wieder mit unbedachten Äußerungen die Schlagzeilen beherrscht. "Manchmal denke ich: Wenn er den Job nicht haben will, dann soll er das doch einfach sagen", so Kerstan.

Zweifel daran, dass die von schlechten Umfragen gebeutelte FDP erneut in den Bundestag einziehen wird, sind bei den Liberalen nicht vorgesehen. "Wir werden sicher in den Bundestag einziehen", sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen. "Allerdings glaube ich nicht, dass es noch einmal für Schwarz-Gelb reichen wird." Das liege allerdings nicht an der FDP. "Dazu wird die CDU nicht die notwendigen 42 bis 43 Prozent erreichen."

Etwas optimistischer, was die eigenen Chancen angeht, ist der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Wieland Schinnenburg. "Merkel gewinnt die Wahl, weil verschiedene Parteien mit ihr koalieren wollen", so der Liberale. Die Wahrscheinlichkeit, dass es mit der FDP weitergehe, liege "bei 50 Prozent".

Sabine Sommerkamp-Homann, die Honorarkonsulin Lettlands, sieht Merkel aufgrund ihres hohen Ansehens vorn. "Es wird wohl eher eine Große Koalition geben", glaubt die Diplomatin. "Frau Merkel macht einen guten Job", befand auch Polizei-Vizepräsident Reinhard Fallak. Die Kanzlerin genieße mehr Zustimmung als ihre Partei. "Bei Angela Merkel wissen die Bürger, woran sie sind", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse.

Trotzdem bleiben alle Prognosen vor allem Momentaufnahmen, und so manche Überzeugung kann noch erschüttert werden. Denn, um mit Udo Lindenberg zu sprechen, bis zur Wahl kann ja noch einiges passieren ...