Mehr als 500 Briefe, Lieder, Textfragmente und Melodien sind bislang eingegangen - unter den Einsendungen sind etliche musikalische Schätze.

Hamburg. So beginnen viele Briefe: "Sehr geehrter Herr Wiegandt, heute habe ich im Abendblatt von der Aktion 'Singen Sie Hamburgisch?' gelesen. Mein Vater spielte früher Akkordeon und ..."

Auch Monika Lorenzen, 59, hat Jochen Wiegandt so einen Brief und zahlreiche Fotos geschickt. Und so ist der Hamburger Volkssänger in den Besitz eines wahrlich musikalischen Schatzes gekommen. Denn der Vater von Monika Lorenzen, Hans-Karl Spier, spielte nicht nur Akkordeon, sondern bildete zusammen mit seinem Kollegen Henry Fischer auch das Stimmungsduo Hein & Fiete. Die beiden Hamburger Originale mit Matrosenhemd, Elbsegler und rotem Tuch um den Hals unterhielten mit Liedern, Witzen von Klein Erna, Döntjes und Gedichten mehr als acht Jahre lang die Gäste im Fleetenkieker am Rathaus.

"Mein Vater ist dort bis Mitte der 60er-Jahre aufgetreten", erzählt Monika Lorenzen. Jeden Abend, von Dienstag bis Sonntag. "Nur montags hatte er frei." Der Fleetenkieker war damals eine Touristenattraktion. "Wenn man auswärtigen Besuch hatte, musste man dorthin, um den Gästen das richtige Hamburg zu zeigen." Sie selbst hat ihren Vater im Fleetenkieker allerdings nie spielen sehen. "Ich war ja noch ein Kind", sagt die Grundschullehrerin aus Großhansdorf.

Aber ihr Vater hat ihr erzählt, dass im Fleetenkieker abends oft auch Prominente reingeschaut haben, Männer wie Hamburgs damaliger Innensenator Helmut Schmidt oder sein SPD-Kollege Hans Apel. Auch Jochen Wiegandt kennt das Kellerlokal an der Börsenbrücke noch als urige Musikkneipe. "Das war ein richtig schöner Rabaukenkeller, ein bisschen zotig, spitze Frauenschreie - und das Bier floss natürlich in Strömen."

Seit Wiegandt mit dem Abendblatt, NDR 90,3 und dem "Hamburg Journal" die Aktion "Singen Sie Hamburgisch?" ins Leben rief, sind bereits mehr als 500 Briefe, Lieder, Textfragmente und Melodien bei ihm eingegangen. Oft liegen noch Fotos oder Zeitungsausschnitte dabei. Auch Monika Lorenzen hat einen Artikel mitgeschickt. Er ist aus dem Abendblatt vom Dezember 1963. "Gestern im Curio-Haus. Oben auf der Bühne: Hein & Fiete, original Hamburger Stimmungskanonen. Unten im Saal: rund 800 Männer und Frauen, Jungs und Deerns, knapp ein Viertel der Zusteller und Agenten des Hamburger Abendblatts." 29 von ihnen wurden damals vor 49 Jahren "von zufriedenen Lesern als ideale Zusteller gewählt" und mit Urkunden sowie einer Armbanduhr ausgezeichnet.

Wer ist noch im Fleetenkieker aufgetreten? Wer hat Fotos? Welche Seemannslieder wurden gesungen? Jochen Wiegandt ist weiter auf der Suche nach musikalischen Erinnerungen aus Hamburg. Nach Liedern, die vielleicht nur im kleinen Kreis gesungen wurden. Beim Zubettgehen, in der Nachbarschaft, im Schrebergarten.

Gerade hat er einen unvollständigen Text geschickt bekommen über "Johnny, de Fährjung vun den Damper Sybill". Wer hat das gesungen, wie geht die Melodie, wer hat das komponiert? Fragen über Fragen. Jochen Wiegandt hofft auch deshalb auf Antworten, weil er momentan an einem Buch arbeitet, das nächstes Jahr erscheinen soll. Titel, na klar: "Singen Sie Hamburgisch?"