Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt: Wie der Computerexperte Claus Achtmann arbeiten immer mehr Hamburger bis ins hohe Alter.

Hamburg. Sein Alter sieht man Claus Achtmann nicht an. Der drahtige Elektroingenieur kommt den Büroflur der Hamburger Telefongesellschaft Telio entlang und lächelt. Dazu hat er allen Grund. Denn Achtmann hat gerade einen unbefristeten Vertrag als einer von vier technischen Geschäftsführern bei der Hamburger Firma unterschrieben, die als europäischer Marktführer Gefängnisse mit Telefonanlagen für die Insassen ausstattet. Achtmann konnte sich mit seiner Kompetenz als IT-Projektberater durchsetzen. Mit 69.

Auf ähnlich erfahrene Spezialisten wie Achtmann, der 30 Jahre lang für den Computerkonzern IBM gearbeitet und dort die Anfänge des Metiers miterlebt hat, setzen immer mehr Firmen. Weil Fachkräfte fehlen, steigen die Chancen älterer Arbeitnehmer wieder. So ist allein die Zahl der Beschäftigten zwischen 60 und 65 in Hamburg von 2002 bis heute von knapp 27.000 auf gut 40.000 gestiegen. Dazu kommen 4000 Erwerbstätige wie Achtmann, die sogar 65 bis 70 Jahre alt sind. Das sind rund 1300 mehr als vor zehn Jahren. Hamburg liegt damit im Trend. Auch bundesweit hat sich die Zahl der älteren Beschäftigten sprunghaft erhöht.

Entscheidend dabei ist: Die Entwicklung geht nicht allein auf die zunehmende Zahl der älteren Menschen in der Gesellschaft zurück, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ermittelt hat. "Während die Zahl der Einwohner ab 50 Jahren seit 1999 bundesweit um 1,3 Millionen stieg, hat sich die Zahl der Beschäftigten in dieser Gruppe um 2,5 Millionen Menschen erhöht", sagt IAB-Expertin Tanja Buch. Beim Institut, das zur Bundesagentur für Arbeit zählt, ist man zudem davon überzeugt, dass dieser Trend anhalten wird.

Das gilt auch für Hamburg. "Wer eine langjährige Berufserfahrung hat, gesund ist und in seinem Beruf Erfolg hat, ist zumeist so motiviert, dass er bis zum regulären Rentenbeginn arbeiten will", sagt Sönke Fock, der Chef der Hamburger Arbeitsagentur. Solche Fachleute seien schon deshalb gesucht, weil sie bei Problemen im Betrieb häufig besonders kreativ seien. "Gerade in Führungspositionen können sie gegenüber Kunden besonders seriös auftreten und werden aufgrund ihrer Erfahrung von den Mitarbeitern rasch akzeptiert", so Fock.

Das erlebte auch Telio-Chef Oliver Drews. "Schon während der Einarbeitung im November war deutlich, dass Achtmann nicht nur die Abteilung mit 16 Mitarbeitern, sondern bei Projekten auch deutlich mehr Beteiligte führen kann", sagt Drews. Der Geschäftsführer hatte zunächst über eine Headhunter-Firma nach IT-Spezialisten gesucht und dabei zwar "viel Geld ausgegeben aber wenig Erfolg gehabt". Dann erinnerte er sich an Achtmann, den er 2003 kennengelernt hatte. Dass dieser nach seinem Ausscheiden bei IBM als selbstständiger Projektberater arbeitete und um die 60 war, wusste Drews. "Sein genaues Alter spielte für mich aber keine Rolle. Ich suchte jemanden, der die internationale Expansion von Telio mit voranbringen konnte", sagt der Telio-Chef. Denn allein in diesem Jahr hat Drews 60 Gefängnisse in den Niederlanden und vier weitere in Dubai mit Spezialtelefonen ausgestattet. Der Umsatz hat sich in 18 Monaten auf 20 Millionen Euro verdreifacht, die Belegschaft stieg von 50 auf 90 Mitarbeiter. "Da brauchte ich einen Profi", sagt Drews. Das Beispiel Achtmanns zeigt, dass diese Arbeitnehmer gute Chancen haben, wenn sie direkt aus einem Job oder aus der Selbstständigkeit kommen. Das gilt besonders für die IT, wo sich die Technik rasch verändert. "Dagegen bekommen zuvor arbeitslose ältere Bewerber nur schwer einen Vorstellungstermin bei den Personalabteilungen", sagt Arbeitsagenturchef Fock. Der Hintergrund: Noch immer werde befürchtet, dass ältere Mitarbeiter länger krank und weniger produktiv seien als jüngere und dass ihre Qualifikationen nicht ausreiche. "Wenn es aber an Fachwissen fehlt, lässt sich dies nachholen", sagt Fock. So werden in der Regel die Kosten für Kurse übernommen, wenn ein Bewerber übernommen werden soll.

Claus Achtmann freut sich auf das neue Kapitel in seinem Arbeitsleben. "Ich werde so lange arbeiten, wie ich Telio helfen kann", sagt er. "Beweisen muss ich niemandem mehr etwas."