4800 Computerfreaks aus mehr als 60 Ländern reisen zum Internationalen Chaos Communicaton Congress an. Säle noch bis Sonntag geöffnet.

Hamburg. Es wird das größte Treffen aller Zeiten, noch nie zuvor waren so viele Computerfreaks aus der ganzen Welt zu Gast in Deutschland: Von heute bis Sonntag versammeln sich rund 4800 Teilnehmer aus mehr als 60 Ländern zum Internationalen Chaos Communication Congress im Hamburger Congress Center.

Für den Medienstandort Hamburg ist diese Tagung ein großer Gewinn: Denn 28 Jahre nach der Auftaktveranstaltung, die damals noch im Eidelstedter Bürgerhaus stattfand, und einem zwischenzeitlichen Umzug nach Berlin kehrt das unkonventionelle Ereignis somit in die Gründerstadt zurück.

Bis Sonntag sind die Säle im CCH rund um die Uhr geöffnet. Auch um 23 Uhr stehen noch Referate auf dem Programm. Rund 100 Vorträge und viele kleinere Workshops von Projekten und Gruppen des 1981 gegründeten Chaos Computer Clubs mit heute 3000 Mitgliedern locken die Besucher. In der Hacker-Sprache trägt die Tagung den Arbeitstitel 29C3. Übersetzt steht dies, na klar, für den 29. Kongress und das dreifache "C".

Wie es sich gehört, bietet die Technik auf dem Kongress Internetanbindungen von 30 Gigabite pro Sekunde, die über mehr als 100 WLAN-Zugangspunkte und 3000 Ethernet-Anschlüsse zu den Besuchern verteilt werden. Ein eigenes GSM-Funknetz wird das CCH versorgen - es wird also ein eigenes Handynetz für vier Tage aufgebaut. "Für Experimente mit Mobiltelefonen", wie der Veranstalter ankündigt. Was das genau heißt? Man darf sich in den nächsten Tagen überraschen lassen.

Natürlich ist auch sonst alles ganz anders als bei gewöhnlichen Kongressen. Statt Anzug und Schlips werden schwarze Jeans, Kapuzenpullover und Outdoor-Jacken die Optik der Teilnehmer dominieren. Und statt Bier pflegen die Teilnehmer Energiedrinks oder stark koffeinhaltige Club-Mate ("Hacker-Brause") mit zur Arbeit am PC zu nehmen. Zwar ist die Mehrheit der Teilnehmer nach Angaben der Veranstalter nach wie vor männlich, doch nimmt die Frauenquote "erheblich" zu.

Herz der Zusammenkunft der Computerszene ist das Hack-Center mit mehr als 600 Sitzplätzen. Allerdings legt der Ausrichter Wert auf die Betonung, dass es sich dabei keinesfalls um eine "Party mit Spielen und Ringelpiez", sondern quasi um ein Labor zum gemeinsamen Forschen und Austesten von Netzwerktechnologien handelt. "Das ist harte Arbeit", sagt Aktivist Alexander Bernhardt, der in Altona die Onlineagentur Hauptsache.net betreibt und seit 1989 Mitglied im Chaos Computer Club ist. "Im Mittelpunkt steht die Weiterentwicklung von Technik zur Kultur."

Doch wollen er seine Mitstreiter selbstverständlich nicht nur tüfteln und im Internet surfen, sondern vor allem auch politisch diskutieren. Die "Avantgarde der Computerszene", zu der neben Anonymus-Aktivisten längst auch Gerichtspräsidenten und Professoren zählen, sorgt sich vor allem um freie Kommunikation weltweit und streitet gegen jede Form von Überwachung.

Nicht alle Teilnehmer, aber einige gehören der Piratenpartei an. Die Gemeinschaft eint der Kampf für Privatsphäre und Bürgerrechte. Der Verkehr im weltweiten Netz, so ein entscheidendes Ziel, soll "unzensiert und frei" sein. Die Vordenker begreifen Netzpolitik als Gesellschaftspolitik und wollen beim 29. Kongress beweisen, dass sie viel mehr sind als nur ein "Daten-TÜV". Es gehe "um Inhalte, nicht um Computer-Sabotage".

Das traditionell zum Jahresausklang organisierte Treffen der internationalen Hacker-Szene war aus Platzgründen 1998 nach Berlin verlegt und bis im Vorjahr im Berliner Congress Center am Alexanderplatz durchgeführt worden. Die Heimkehr nach Hamburg wurde beschlossen, da erstmals mehr als zuletzt 4235 Teilnehmer erwartet werden. Dafür gab es in der Hauptstadt keinen geeigneten Platz.