Es liegt im Trend für viele Menschen, vegan zu leben. Doch man hat schwer daran zu kauen, wenn die Mahlzeiten zur Glaubensfrage werden.

Hamburg. Tiere und ihre Produkte haben auf dem Esstisch nichts zu suchen. So lautet, radikal verkürzt, die Botschaft der Veganer, der radikalen Speerspitze der Vegetarier (wobei es dann noch die Frutarier gibt, die nur essen, was von Bäumen und Sträuchern abfällt). Vielen Veganern geht es dabei nicht nur ums eigene Wohlbefinden, sondern auch um eine bessere Welt. Fleischesser werden da schon mal als "Mörder" verunglimpft. Die wiederum wünschen den M(ess)ionaren, "hoffentlich mal so alt zu werden, wie sie jetzt schon aussehen".

Tatsächlich nehmen Veganer einiges auf sich: Der Einkauf für den täglichen Bedarf wird zum Marathon, das Lesen von Packungsinhaltsbeschreibungen zur Passion. Fragen an die Bäckereifachverkäuferin, "ob das Backblech mit Butter eingepinselt wurde", werden zur Selbstverständlichkeit.

Kostspielig sei das Veganerleben ebenfalls. Meint zum Beispiel die 28-jährige Eva Arnold aus Hamburg-Niendorf, bei der es nach der Lektüre des Bestsellers "Skinny Bitch - Die Wahrheit über schlechtes Essen, fette Frauen und gutes Aussehen" der beiden Ex-Models Rory Freedman und Kim Barnouin "Klick" gemacht habe. Ihr Freund, sagt die gelernte Kinderkrankenschwester, könne sich mit ihrem veränderten Essverhalten leider nicht anfreunden, und deshalb sitze sie ja jetzt auch mit einer Freundin hier: im wohl ältesten Hamburger Veggie-Restaurant, im Loving Hut in der Neustadt. "Nach ungefähr drei Wochen veganem Essen begann ich, mich fitter zu fühlen. Ich war nicht mehr so müde wie sonst nach dem Essen", erzählt Eva Arnold. Was ihr jedoch, wie (fast) allen Veganern noch immer besonders schwerfalle, sei der Verzicht auf Käse. "Vor allem wenn ich neben jemandem sitze, der gerade eine Pizza isst, aber meine Überzeugung ist stärker als der innere Sojahund."

Warum aber können sich "Normalesser" mit der vegetarischen Lebensweise leichter anfreunden als mit der veganen Esskultur? Vermutlich liegt es an der stets wiedergekäuten Programmatik: So liest sich das Credo des wohl ältesten veganen Hamburger Restaurants. Das Loving Hut steht demnach für "Liebe, Frieden, Mitgefühl, Ökonomie und Gesundheit in der Ernährung", was in dem Slogan "Lebe vegan und umweltbewusst, um den Planeten zu retten" mündet. Eva lächelt. "Ich will den Laden einfach nur ausprobieren, weil ich als Veganer auch mal ausgehen möchte, ohne endlos mit Servicepersonal diskutieren zu müssen." Vom Essen erleuchtet zu werden, das sei wirklich nicht ihr Ding.

Gerade jetzt, zu Weihnachten, sollte man an die Toleranz appellieren, an die friedliche Koexistenz zwischen den verfeindeten Gruppen. Denn veganes Leben ist keine bloße Zeiterscheinung, sondern ein wachsendes Lebensgefühl. Das ebenfalls vegane Restaurant Leaf in Ottensen genießt sogar den Ruf eines "Gourmet-Tempels". Auf der Karte stehen Gerichte wie "Tramezzini mit Thunfisch-Mayonnaise" oder"Gefüllte Zucchiniblüte mit gebratener Polenta auf Karotten-Kohlrabi-Gemüse". Denn das überzeugendste Argument - für welches Essen auch immer - ist und bleibt eben stets der Geschmack.