Warenhäuser in Hamburg senken die Preise um bis zu 50 Prozent. Der Ausverkauf beginnt dieses Jahr sogar schon vor Weihnachten.

Hamburg. Montagvormittag im Kaufhaus von Peek & Cloppenburg in der Mönckebergstraße. Die Schlangen vor den Kassen sind fast so lang wie sonst an Sonnabenden. Kunden, die noch nichts Passendes gefunden haben, wühlen eine Woche vor Heiligabend an den zahlreichen Tischen mit Sonderangeboten. Bis zu 40 Prozent Preisnachlass verspricht das Unternehmen - und aktiviert damit beim Käufer ein heftiges Verlangen. "Es ist nur ein Wort, aber es kostet uns den Verstand. Kaum haben wir irgendwo Sonderangebot gelesen, schießen Glückshormone durch unseren Körper, Gehirn und Wille werden weich. Und wir kaufen", beschreibt der TV-Moderator Ranga Yogeshwar das Phänomen in seiner Wissensshow.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Wer angesichts der Sonderpreise Ruhe bewahrt, kann schon jetzt sparen. Das Abendblatt hat sich bei einigen der großen Anbieter auf der Mönckebergstraße umgesehen. Bei Karstadt etwa gibt es drei Cashmere-Teile zum Preis von zwei. Zudem sind bereits Handtaschen von Marco Polo von 249,95 auf 180 Euro heruntergesetzt. 20 Prozent Rabatt gewährt der Konzern auf Damenblusen, 30 Prozent auf bereits reduzierte Ware von bestimmten Kollektionsteilen. "Diese Woche wird bei uns der Rotstift verstärkt angesetzt", sagt Karstadt-Geschäftsführer Werner von Appen. Der Grund liege im Vorpreschen mancher Wettbewerber, die schon sehr früh ihre Preise für Textilien gesenkt haben. Einen Anteil an dieser Politik dürfte der im Vergleich warme Monat November gehabt haben. Die Kunden hatten bei diesen Temperaturen noch keine Lust auf Winterbekleidung.

Auch der Herrenausstatter Braun setzt auf Cashmere und gibt auf diese Produkte einen Preisnachlass von 50 Prozent. Kaufhof bietet Pullover oder Jacken aus der edlen Wolle nach einer vorangegangenen Preisreduzierung um nochmals 20 Prozent billiger an. Die Handelskette Bonita warb am Montag mit Blusen für den halben Preis. Rabatte von bis zu 40 Prozent verspricht die Douglas-Tochter AppelrathCüpper. Das Unternehmen macht wegen eines Umbaus einen Teilräumungsverkauf. Doch die 40 Prozent beziehen sich, wie auch bei den anderen Anbietern, nur auf wenige Produkte. Von 119 auf 79,95 Euro wurden Cashmere-Pullover reduziert. Eine Winterjacke von Tommy Hilfiger wird um fast 25 Prozent günstiger angeboten. Der Preis verringerte sich von 199 auf 150 Euro, ein T-Shirt der Marke Guess von 34,95 auf 24,95 Euro.

Peek & Cloppenburg bietet vereinzelt Hosen für 29,95 Euro an, die früher 99,95 Euro gekostet haben. Daneben gibt es Brax-Jeans für 79,95 statt 99,95 Euro oder Blusen für 24,95 Euro, die zuvor 15 Euro teurer angeboten wurden. Neben den Tischen mit den Sonderangeboten präsentiert das Unternehmen bereits Teile der neuen Frühjahrs- und Sommerkollektion. Die Herbst- und Wintersachen müssen raus, um Platz für die neue Ware zu schaffen.

Der Handel steht unter Druck. "Es ist bislang selten geschehen, dass der Einzelhandel schon vor dem Weihnachtsfest seine Preise senkt", sagt Gerrit Heinemann, Professor und Handelsexperte an der Hochschule Niederrhein. "Die Branche wird offenbar nervöser, weil die Kunden immer später kommen." Vor allem in diesem Jahr verweigern sich laut Heinemann besonders viele Menschen dem Einkaufsstress. Alternativen gibt es inzwischen genug. Die Warenwelt des stationären Einzelhandels findet sich auch in den Onlineshops im Internet. "Die Kunden sind sensibler geworden. Sie nehmen es nicht mehr hin, wenn sich gestresste Verkäufer nicht um sie kümmern", so Heinemann. Der Handel wolle diesen Trend mit Preissenkungen stoppen, "weil er häufig in Deutschland nichts anderes als Verkaufen über den Preis gelernt hat", so der Experte.

Auch in der Hansestadt gibt es inzwischen hinter vorgehaltener Hand Kritik an den für die Verbraucher positiven frühen Preissenkungen. "Der November und Dezember sind die umsatzstärkste Zeit im Einzelhandel", sagt ein Handelsprofi, der nicht genannt werden will. 20 bis 30 Prozent des Jahresumsatzes würden in diesem Zeitraum erwirtschaftet. "Rabatte vor Weihnachten sind sehr problematisch."

Der Hamburger Handel ist optimistisch, trotz der zunehmenden Internetkonkurrenz zulegen zu können. Wolfgang Linnekogel, Geschäftsführer der Fachverbände des Hamburger Einzelhandels, rechnet für das Gesamtjahr mit einem Umsatzzuwachs im Einzelhandel in der Stadt um zwei Prozent auf dann rund elf Milliarden Euro. Vor einigen Tagen war seine Prognose noch optimistischer, doch das Geschäft am vergangenen Sonnabend fiel schlechter aus als erwartet, "nicht nur in Hamburg, sondern auch in Hannover, Lübeck und Kiel", so Linnekogel.

Die Jagd nach günstigen Angeboten geht weiter. Karstadt-Chef von Appen rechnet bis Ende Januar mit Nachlässen von bis zu 70 Prozent. Wer geduldig ist, kann abwarten und dann kaufen. Allerdings könnte es dann auch sein, dass der Wunschartikel bereits vergriffen ist. Die Schnäppchenjäger würden dann ohne Schnäppchen dastehen.