Der Rückzug der Politik aus dem Aufsichtsrat war falsch. Das zeigt der Fall Nonnenmacher

Heide Simonis war die Einzige, die sich offen zu ihrer Verantwortung bekannte. "Wir waren besoffen", konstatierte die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin, als klar wurde, dass auch der Größenwahn der Politiker zum Debakel bei der HSH Nordbank geführt hatte. Den Kater für das parteiübergreifende Besäufnis ertragen seit Jahren die Steuerzahler. Sie müssen die frühere Landesbank, die kurz mal glaubte, in der Weltliga zu spielen, mit immer neuen Milliarden stützen. Denn eine Pleite könnte Kiel und Hamburg angesichts milliardenschwerer Garantien gleich mit in den Abgrund reißen. Umso unverständlicher ist es, dass die Länder es zulassen, dass einem Ex-Vorstandsvorsitzenden der ihnen gehörenden Bank eine Abfindung von fast vier Millionen Euro gezahlt wird.

Am heutigen Sonnabend endet die Frist, innerhalb derer die Bank das Geld von ihrem Ex-Chef Dirk Jens Nonnenmacher zurückfordern könnte - wenn diesem nachträglich schwere Verfehlungen nachgewiesen würden. Bisher sieht alles danach aus, als könne Nonnenmacher das Geld behalten. Die Aufhebungsvereinbarung, die er vor zwei Jahren von Aufsichtsratschef Hilmar Kopper bekommen hatte, ist so vorteilhaft für Nonnenmacher, dass er sich wohl wenig Sorgen machen muss. Wie dieser für Hamburg in jeder Hinsicht ungünstige Vertrag zustande kam, daran will sich heute niemand mehr erinnern. Die damals kommissarische CDU-Finanzsenatorin Herlind Gundelach behauptet, sie habe das Papier nie zu Gesicht bekommen. Der Beamte, der als einziger Hamburger Vertreter im Aufsichtsrat sitzt, beteuert, er habe die Behörde informiert. Der Verdacht liegt nahe, dass Aufsichtsratschef Hilmar Kopper das politische Chaos im Dezember 2010 ausnutzte, um Nonnenmacher einen guten Abschied zu garantieren. Gerade war der Finanzsenator zurückgetreten, kurz darauf die schwarz-grüne Koalition zerbrochen. Und im Aufsichtsrat saß als Hamburger Vertreter kein einziges politisches Schwergewicht.

Es ist ausgiebig darüber gestritten worden, ob Politiker in Aufsichtsräten von Unternehmen sitzen sollten. Es gibt gute Argumente dagegen. Politiker sind nicht unbedingt die besseren Unternehmenslenker. Oft führt eine zu direkte politische Einflussnahme zu wirtschaftlich suboptimalen Ergebnissen. Und es war ja auch im Falle der Nordbank gerade die Politik, die immer höhere Dividenden für die Landeshaushalte einforderte und den Wahnsinn mit zur Methode erhob.

Mittlerweile aber hat sich die Situation dramatisch verändert. Die Bank existiert nur noch durch die Garantien der Steuerzahler. Allein für Hamburg geht es bei der Nordbank um fast 20 Milliarden Euro - das entspricht mehr als anderthalb Jahreshaushalten der Stadt. Angesichts solcher Dimensionen können die Bürger erwarten, dass sie im Aufsichtsrat der HSH mit einem Regierungsmitglied vertreten sind. Es darf nicht einmal der Eindruck aufkommen, dass der frühere Deutschbanker Kopper, der Millionenverluste schon einmal als "Peanuts" bezeichnete, allein über den Kurs der Bank entscheidet.

Es muss im Aufsichtsrat wieder ein politisches Korrektiv geben. Nur Senatsmitglieder können einem machtbewussten Manager auf Augenhöhe begegnen. Es wird daher Zeit, dass SPD-Finanzsenator Peter Tschentscher selbst in den Aufsichtsrat aufrückt - wie er es von seinem Vorgänger gefordert hat. Nur so kann er selbst verhindern, dass dort weiter Millionengeschenke auf Kosten der Steuerzahler verteilt werden. Und nur so wissen die Bürger, welcher ihrer Vertreter die Verantwortung für den sorgsamen Umgang mit ihrem Geld übernimmt. Die Politik darf sich nicht länger wegducken. Sie muss Verantwortung übernehmen - und dabei nüchtern bleiben. Das ist die wichtigste Lehre aus dem Fall Nonnenmacher.