Seit 1973 versuchen die Einwohner den Durchgangsverkehr zu verbannen. Jetzt ist die 5,5 Kilometer lange Straße eröffnet worden.

Hamburg. Der dichte Durchgangsverkehr störte auf Finkenwerder schon lange: Gerade wenn schwere Lkw auf dem Weg zum nahen Flugzeugwerk vorbeirauschten, vibrierten die Häuser an der Straße, die einst nur als Sackgasse auf einem alten Deich angelegt worden war. 1973 reichte es den Menschen auf der Elbinsel schließlich, und der damalige CDU-Kommunalpolitiker Max Lauschner formulierte den Protest erstmals formell für einen Antrag an den Ortsausschuss: Finkenwerder braucht dringend eine Ortsumgehung, so die Forderung. Am gestrigen Mittwoch nun ist sie von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sowie Wirtschafts- und Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) offiziell eröffnet worden - 39 Jahre später.

Die neue rund 5,5 Kilometer lange Trasse führt im südlichen Bogen um Finkenwerder herum und gilt als das größte Straßenbauprojekt der vergangenen zehn Jahre in Hamburg. Sie verknüpft die Pendlerstrecke vom Landkreis Stade bis zum Airbuswerk mit dem Anschluss in Hafennähe an der Finkenwerder Straße nahe dem Aluwerks. Die neue Straße ist dabei als reine Auto- und Lkw-Route gebaut worden, ein Radweg wurde nur teilweise im Ostteil angelegt. Insgesamt führt die Straße über sechs Brücken mit Spannweiten bis zu 100 Meter Länge - unter anderem über die Alte Süderelbe.

Gebaut wurde sie in dem feuchten Marschuntergrund auf einem regelrechten Sanddamm, ungefähr 20.000 Lkw-Ladungen wurden dazu benötigt. Es gibt Krötenschutzzäune, Unterführungen für Tiere und sogar einen zwei Meter hohen hölzernen Sichtschutzzaun zum Naturschutzgebiet Westerweiden. Die mit rund 57 Millionen Euro kalkulierten Baukosten konnten bisher eingehalten werden, eine Schlussrechnung gebe es aber noch nicht, heißt es bei der städtischen Realisierungs-Gesellschaft (Rege), die für die Stadt den Bau der Straße plante und überwachte.

Dies sind jedoch nicht die einzigen Kosten. Für den Ankauf von Grundstücken, Tausch von Flächen, neuen Gräben und Beregnungsbecken für den Obstbau stellte die Stadt noch einmal 42 Millionen Euro bereit. Allerdings konnte sie damit auch schon die Flächen für den geplanten Bau der A 26 auf Hamburger Gebiet erwerben. Basis für diesen sogenannten Süderelbefonds ist eine Einigung, die die ReGe und etwa 40 betroffene Obstbauern nach langem Rechtstreit 2009 erzielt hatten. Es war nicht der einzige Streit in der Geschichte dieser Straße.

Bis zur großen Sturmflut 1962 war der Kern Finkenwerders eine eher beschauliche Sackgasse, über die Alte Süderelbe ging es nur mit einer kleinen Fähre. Nach der Flut wurde dieser Elbarm abgetrennt, eine neue Straße gebaut und der Ort zur Durchgangsstation für Pendler und den Verkehr zum Airbuswerk. 1973 stellte Max Lauschner dann die erste Forderung nach einer Umgehung auf. Noch 1985 wies Hamburg die Ortsdurchfahrt als Hauptverkehrsstraße aus. Auf der Insel folgten erste Proteste. Schon als 1983 ein Kind überfahren worden war, gingen die Bewohner Finkenwerders auf die Straße und demonstrierten. Kommunalpolitiker Lauschner gründete daraufhin die Bürgervereinigung Umfahrung Finkenwerder (BUF). 1986 schlug der damalige Bausenator Eugen Wagner (SPD) schließlich die sogenannte Stutzenlösung als Entlastung vor, die aber nicht umgesetzt wurde. 1993 präsentiert die Baubehörde dann eine neue "Airbus-Trasse". In den Folgejahren gab es jedoch heftigen Streit zwischen Finkenwerder (Bezirk Mitte) und Neuenfelde (Bezirk Harburg) um Varianten dieser Strecke. Im Jahr 2000 entschied sich der Senat gegen Harburg für die Südtrasse. 2004 schließlich klagten betroffene Obstbauern gegen die Südtrasse, dennoch strebte der Senat ein Jahr später einen öffentlichkeitswirksamen Baustart an. Kurz danach stoppte ein Gericht die Bauarbeiten wieder und zwang damit die Stadt zu Verhandlungen, die dann 2009 in der Einigung mündeten. Im August 2009 schließlich folgte der (zweite) Baubeginn für die Ortsumgehung. Bürgermeister Scholz dürfte angesichts der langen Geschichte der Ortsumgehung recht gehabt haben, als er bei der Eröffnung am Mittwoch davon sprach, dass "die große Mehrheit der Bewohner Finkenwerders diesen Tag herbeigesehnt hat". Für einen aber kam die Eröffnung zu spät. Vor einigen Wochen ist Max Lauschner mit weit über 80 Jahren verstorben.