NPD-Verbot ersetzt nicht die kontinuierliche Arbeit für die Demokratie

Die Innenminister der Länder haben sich einmütig für die Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens entschieden. Nach den Diskussionen und Anstrengungen der vergangenen Monate haben sie sich selbst kaum noch eine andere Option gelassen. Aber auch dieses zweite Verfahren wird kaum weniger schwierig als das erste, das 2003 wegen des exzessiven Einsatzes von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der Führungsebene der rechtsradikalen Truppe schon im Ansatz scheiterte.

Diesmal fühlen sich die Minister aber besser vorbereitet. Die V-Leute sind abgezogen, der gesammelte Aktenberg ist gewaltig. Daran, dass die NPD mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht viel am Hut hat und gemeinsame Sache mit rechtsextremistischen Kameradschaften macht, besteht kein Zweifel. Zweifel bestehen aber immer noch daran, dass der Verbotsweg der richtige ist.

Da bleiben zunächst die juristischen Unwägbarkeiten bei einem Verfahren, das frühestens im Frühjahr vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingeleitet werden kann. Der NPD muss dann eine aggressiv-kämpferische Aktivität nachgewiesen werden. Der Begriff ist schwammig und entsprechend schwer eindeutig belegbar. Sechs von acht Verfassungsrichtern müssen für ein Verbot stimmen. In Deutschland kann laut Urteilsbegründung aus dem KPD-Verbotsverfahren von 1956 eine Partei auch dann verfassungswidrig sein, wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, vor den die NPD im Falle einer Niederlage in Karlsruhe ziehen könnte, hat andere Maßstäbe. Nach denen muss eine Partei, soll sie verboten werden, eine reelle Chance auf eine Machtübernahme haben. Dies ist bei der NPD mit ihren derzeit 6300 Mitgliedern - Markenzeichen jung, männlich, unterprivilegiert und aus dem Osten - kaum anzunehmen. Die Folgen einer erneuten juristischen Schlappe des Rechtsstaats sind oft genug vorsorglich in den schwärzesten Farben gemalt worden.

Aber selbst wenn das Verbotsverfahren durch alle Instanzen erfolgreich ist, bietet es den Rechtsextremen zumindest geschätzte fünf Jahre eine große Bühne der Selbstdarstellung und der öffentlichen Aufmerksamkeit. Zudem steht mit der im Frühjahr gegründeten Partei Die Rechte ein neues Sammelbecken für die entsprechende Klientel schon bereit. Und die wird durch ein Parteiverbot nicht einfach verschwinden - so wenig wie ihr krudes Gedankengut. Nach einer kürzlich vorgelegten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung haben neun Prozent der Bevölkerung in Deutschland ein "geschlossenes rechtsextremes Weltbild".

Wenn die Verbotsbefürworter stört, dass die NPD und ihr Wirken durch staatliches Geld gefördert wird, könnten sie auch über unsere Parteienfinanzierung nachdenken. Und darüber, dass Wirrköpfe unter parlamentarischer Kontrolle unter Umständen besser aufgehoben sind als im Untergrund. Auch wenn manche Debatte intellektuelle und seelische Schmerzen bereitet, bieten Parlamente nachweislich auch die Chance für die Rechtsaußen, sich zu blamieren oder zu zerstreiten.

Unter dem Strich bleibt die Frage, ob auf Aufwand und Nutzen des eingeleiteten Weges in einem vernünftigen Verhältnis stehen. An der Aufgabe des Staates, die Grundrechte aller Menschen zu schützen und deren Sicherheit zu gewährleisten, ändert sich ohnehin nichts. Zudem müssen die Parteien weiter aufklären und für die Demokratie werben, schon aufgegebene Landstriche zurückerobern und sich weiter mit dem Problem Rechtsextremismus auseinandersetzen. Das ist nicht so effektvoll wie ein Verbot, aber effektiver.

Der Autor leitet das Politikressortdes Abendblatts