Opfer und Täter sind schon wieder versöhnt. Die Ursache war nur ein Missverständnis. Doch der Chef-Ankläger besteht auf Anzeige.

Neustadt. Es war eine wirklich unschöne Bemerkung, die dem Amtsrichter da herausgerutscht ist. Doch sie beruhte auf einem Missverständnis. Dem betroffenen Staatsanwalt ist sie lediglich von Dritten berichtet worden, und der Amtsrichter hat sich längst dafür entschuldigt, dass er am Rande eines Prozesses über einen Ankläger gegrummelt hatte: "Dem haben sie wohl ins Gehirn geschissen."

Mit der Entschuldigung des Richters schien die Sache bereinigt und zur Zufriedenheit aller Betroffenen aus der Welt zu sein. Doch Hamburgs oberster Ankläger, Generalstaatsanwalt Lutz von Selle, hat offenbar darauf bestanden, trotz allem ein Strafverfahren gegen den Richter zu betreiben.

Jetzt ist dem Richter nach Abendblatt-Informationen angeboten worden, das Verfahren gegen Zahlung eines Geldbetrags im geringen dreistelligen Bereich einzustellen. Der Richter hat nun Bedenkzeit. Akzeptiert er dieses Angebot nicht, könnte möglicherweise Anklage gegen ihn erhoben werden.

Der Hintergrund: In einem Amtsgerichtsprozess hatte sich der Richter über eine Entscheidung eines Staatsanwalts, die jedoch auf einem Missverständnis in einem Telefonat mit dessen Referendarin beruhte, geärgert. Der Richter ging daraufhin in ein Nebenzimmer und sagte den verhängnisvollen Satz, der das Verfahren gegen ihn auslöste.

Der Ausspruch war bis in das Verhandlungszimmer zu hören. Die Referendarin erzählte später dem betroffenen Staatsanwalt davon, dieser informierte seine Vorgesetzte und die wiederum den Behördenleiter der Staatsanwaltschaft, Ewald Brandt. Schließlich bekam es auch Generalstaatsanwalt von Selle mit. Die Strafanzeige gegen den Richter erstattete zwar zunächst Behördenleiter Brandt.

Doch als dieser erfuhr, dass sich der Richter beim Staatsanwalt entschuldigte und dieser sich gar nicht beleidigt fühlt, soll Brandt nach Abendblatt-Informationen kein Interesse mehr an der Strafverfolgung gehabt haben. "Wenn Sie den Strafantrag zurücknehmen, gibt es Krieg", soll von Selle da gedroht haben. Die von manchen als hart empfundene Gangart des Generalstaatsanwalts, das Verfahren unbedingt voranzutreiben, hat bei einigen Mitarbeitern seiner Behörde für Irritation gesorgt. Denn unter den Anklägern schätzt man ein gutes Verhältnis zur Richterschaft, das durch den Vorfall bedroht sein könnte.

Auf Abendblatt-Anfrage sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, dass der Generalstaatsanwalt bereits am 19. November die "Möglichkeit eröffnet hat, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen". Dieses Angebot sei dem beschuldigten Richter auch unterbreitet worden. Möllers: "Besteht der Verdacht einer Straftat, müssen Ermittlungen geführt werden. Zudem hat bei Beleidigungsdelikten der Dienstherr ein eigenes Antragsrecht."