Der Troika-Bericht über Griechenlands Finanzen zeichnet ein zu rosiges Bild. Der schmerzhafte Schritt muss schnell gegangen werden

Anfang April habe ich an dieser Stelle die Meinung vertreten, dass Griechenland trotz der europäischen Hilfspakete in Höhe von 240 Milliarden Euro und des Schuldenschnitts der privaten Gläubiger von 100 Milliarden Euro nicht in der Lage sein wird, bis 2020 seine Schuldenlast auf die von der EU, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) - der sogenannten Troika - geforderten 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken. Diese Erkenntnis ist inzwischen bis zu den Finanzministern der Euro-Gruppe vorgedrungen, die auf drei Marathon-Sitzungen verzweifelt versucht haben, dieses Ziel durch zusätzliche Hilfsmaßnahmen doch noch zu erreichen und damit Griechenland im Euro zu halten.

Das von den Ministern entwickelte Maßnahmenbündel ist im Eilverfahren vom Bundestag beschlossen worden und basiert auf dem im November fertiggestellten Troika-Bericht. Auf der Grundlage dieses Berichts wird Griechenland eine weitere Tranche von knapp 44 Milliarden Euro aus dem Hilfsprogramm ausgezahlt.

In dem mit allen Anlagen mehr als 200 Seiten umfassenden Bericht kommt die Troika zunächst zum Schluss, dass Griechenland alle 72 Bedingungen für die Auszahlung inzwischen erfüllt, also auf gutem Weg ist. Der zweite Teil enthält umfangreiche Berechnungen und detaillierte Voraussagen darüber, wie sich die griechische Wirtschaft und die Schulden des Landes zunächst bis 2016 und darüber hinaus bis 2020 entwickeln werden. Als Ergebnis ihrer Analyse stellen die Autoren fest, dass Griechenland bis 2020 seine Schuldenquote nicht - wie gefordert - auf 120 Prozent des BIP drücken kann, sondern nur auf 140 Prozent. Die Differenz soll nun durch Zins- und Gebührennachlässe sowie Gewinne der EZB ausgeglichen werden, was Einnahmenverluste der Euro-Länder bedeutet und auch unseren Bundeshaushalt belastet.

Diese Notmaßnahmen bringen aber nur 7,5 Prozentpunkte, sodass die Hoffnung auf einem Schuldenrückkaufprogramm liegt, das etwa zwölf Prozentpunkte ausmacht, falls die privaten Besitzer griechischer Anleihen ihre Papiere tatsächlich der Regierung in Athen zu einem Drittel ihres Nominalwertes zurückgeben. Die hiermit erreichbaren 124 Prozent des BIP werden inzwischen von allen Beteiligten akzeptiert.

Damit könnte man sich einigermaßen beruhigt zurücklehnen, doch lässt das der Troika-Bericht leider nicht zu. Seine Berechnungen und Prognosen beruhen auf sehr optimistischen Annahmen über die Entwicklung des griechischen privaten Konsums, der privaten Investitionen und des Exports, die teilweise nicht überzeugen. So wird etwa ein Wachstum der privaten Investitionen bis 2016 um 26 Prozent prognostiziert, obwohl die Produktionskapazitäten der Industrie nur zu 60 Prozent ausgelastet sind. Nach betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen wird aber erst dann investiert, wenn die Produktion an die Grenze der Kapazität stößt, was so schnell nicht der Fall sein wird.

Auch der prognostizierte Anstieg der Exporte um 22 Prozent bis 2016 ist zu optimistisch, da die Lohnstückkosten ab 2013 nicht weiter sinken und zudem die Weltkonjunktur Probleme machen könnte. Schließlich ist der erwartete Rückgang des privaten Konsums um fünf Prozent bis 2016 zwar überzeugend begründet, doch fehlt die multiplikative negative Wirkung auf Einkommen und Steuereinnahmen, die auch die Fähigkeit des Landes, Schulden zurückzuzahlen, verschlechtert.

Finanzmathematische Berechnungen mit vorsichtigeren Annahmen über das Wachstum des griechischen BIP und seiner Bestandteile Konsum, Investitionen, Export und Import kommen zum Ergebnis, dass bei Berücksichtigung der beschlossenen Hilfen und dem Schuldenrückkaufprogramm die griechische Schuldenquote 2020 nicht 124, sondern 143 Prozent betragen wird. Die Differenz entspricht knapp 40 Milliarden Euro und ist etwa ein Drittel des Kreditvolumens, das von den Euro-Ländern und dem Rettungsschirm EFSF an Griechenland vergeben wurde.

Ein Schuldenschnitt in dieser Höhe oder - wenn das Rückkaufprogramm ohne Erfolg bleibt - von 50 Prozent ist also unumgänglich. Es ist schlecht, dass dieser sicher schmerzhafte Schritt nicht jetzt vorgenommen wird, sondern aus Angst vor den Wählern erst nach der Bundestagswahl auf die Tagesordnung kommt. Was man verschiebt, wird meistens teurer.