Der Rahlstedter Konditor Klaus Lange produziert seinen Strom selbst - und macht all das, was Kollegen für unwirtschaftlich halten.

Rahlstedt. Am Anfang war das Blockheizkraftwerk. Dann kam das Windrad. Jetzt die Blockkälteanlage. Am Ende winkt die Freiheit. Konditormeister Klaus Lange (49) steht im Keller seines Rahlstedter Caféhauses und spricht vom Licht am Ende des Tunnels. Vom selbst gemachten Licht, gespeist aus eigener Stromquelle.

"Wir wollen unabhängig werden von externen Lieferanten", sagt Lange. "In fünf Jahren wollen wir unseren Strom und unsere Wärme komplett selber erzeugen." Seine Konditorei an der Rahlstedter Straße 68 ist klein. Ein Familienbetrieb, in zweiter Generation geführt. Acht fest angestellte Mitarbeiter, keine Filialen, eine übersichtliche Backstube von vielleicht 25 Quadratmetern, eine genauso große Küche, 20 Tische. Der Idealismus ist groß. 90 Prozent der Zutaten kann Lange bis zur ihrer Entstehung zurückverfolgen, er kennt die Lieferanten persönlich. Seine Frau Susanne (48) backt aufwendige Torten statt praktischer Schnitten, es gibt eine unfassbar große Auswahl (40 Torten) statt des von Marketingstrategen empfohlenen kompakten Sortiments. Ausdruck des Ehrgeizes, sich selbst zu erfinden und das Handwerk hochzuhalten. Lange will keine Lösungen von der Stange, will sich nicht ergeben ins vermeintlich Notwendige. Lange denkt selbst. Was ihn packt, das packt er an. "Wir sind keine Leute, die Ideen lange im Kopf haben. Wir setzen sie um und sind auch bereit, den Ärger zu kriegen. Und den kriegen wir ja auch."

Bei 110 000 Kilowattstunden (kWh) im Jahr 2006 fing er an. Jetzt muss er noch 48 000 kWh im Jahr kaufen, 20 000 macht er schon selbst, 42 000 kW/h hat er eingespart. Sein Blockheizkraftwerk hilft doppelt: In erster Linie macht der Gasmotor Strom, die Heizungswärme ist ein Abfallprodukt. Für Spitzen gibt es eine konventionelle Zusatzheizung. Die will Lange loswerden. Und auch das Blockheizkraftwerk soll seltener laufen. Weil es ja Gas braucht.

Deshalb kam das Windrad. Es klebt mit seinen 26 Kilogramm Gewicht seit Ende November am Giebel und dreht sich praktisch lautlos. Etwa 2000 kWh Stromernte im Jahr wird der mit 2,70 Meter Durchmesser noch handliche Rotor einfahren. Den großen Schritt voran soll im nächsten Jahr die neue Blockkälteanlage bringen: Wie das Blockheizkraftwerk erzeugt sie Wärme nur als Abfallprodukt. Primär macht sie Kälte, gespeist wird sie mit Strom. Aber sie ersetzt dem Caféhaus sieben Strom fressende Kältemaschinen. Und das spart 17 000 kWh im Jahr. "Das muss erst mal eine Zeit lang laufen. Und dann sehen wir, wie viel Strom uns noch fehlt." 22 000 kWh im Jahr werden es sein, schätzt Lange, mittlerweile ist er ein von der Handelskammer geprüfter "Energiemanager". Eine Fotovoltaikanlage könnte ergänzend hinzukommen und die Blockkälteanlage versorgen. Da sie Kälte und nebenbei Wärme erzeugt, kann dann das Blockheizkraftwerk die Rolle der Zusatzheizung übernehmen.

Langes Antrieb ist immer derselbe. Am Anfang war nämlich gar nicht das Blockheizkraftwerk. Am Anfang war der Kaffee, sagt Lange. "Der wurde immer teurer und teurer", erzählt er. "Da bin ich hin zu unserem Lieferanten und habe ihn gefragt, ob das sein Ernst sei. Er baute sich vor mir auf und verschränkte seine Arme vor der Brust. Ich werde es nie vergessen. 'Was wollen Sie denn machen?' fragte er mich. 'Vielleicht selber rösten', sagte ich vorsichtig. 'Niemals!', dröhnte er, 'niemals werden Sie das machen!' Ich hatte mich schon ein bisschen schlaugemacht vorher. Es war gar nicht so unmöglich. Und wir haben es gemacht." Seit sechs Jahren steht die Kaffeeröstmaschine hinter dem Tresen, ein seit 150 Jahren praktisch unverändert gebauter Klassiker. Die Säcke mit Biorohkaffee daneben, der frisch geröstete Kaffee verschwindet unter den Deckeln der Metalleimer.

Bei maximal 200 Grad werden die Bohnen etwa 20 Minuten lang geröstet. "Darauf muss man sich einlassen", sagt Lange. Es ist zeitraubend. Industrielle Kaffees brauchen bei gut 500 Grad nur etwa 70 Sekunden. Aber der industrielle Kaffee schmeckt schärfer, hat viel weniger Volumen. 1,20 Euro nimmt "Das Caféhaus" für den Becher Kaffee außer Haus. Viel zu billig, würde der Marketingstratege sagen. Lange widerspricht aus tiefster Handwerkerseele. "Ich kann zu diesem Preis anbieten, und deshalb tue ich es auch." Er möchte nicht, dass die Leute sich abgezogen fühlen. "Die weichen Faktoren werden total unterschätzt, sie tauchen in keiner Rechnung auf. Aber sie sind entscheidend." Es geht um den Wohlfühlfaktor. Um die Zufriedenheit mit sich und seiner Umwelt. Um das gelingende Leben.

Das Licht am Ende des nächsten Tunnels ist Sonnenlicht. "Solartube" heißt das Gerät, mit dem Lange außerhalb des Gebäudes mit einem Prisma Licht bündeln und durch ein verspiegeltes Rohr ins Gebäudeinnere holen will. Zusammen mit den LED im Kuchentresen spart es 3000 kWh im Jahr. Aber vor allem schafft es eben die warme Atmosphäre, in der es sich gut leben und locker in die Lübecker Nusstorte beißen lässt, die seit Jahren auf den goldenen Preis der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft abonniert ist.