Drei Schüler erzählen am Beispiel des fiktiven Jungen Wafa, wie junge Menschen den Abschied von Afghanistan und den weiten Weg durch den Iran, die Türkei und Griechenland bis Deutschland erlebten.

Wir lesen in der Zeitung täglich Geschichten über Menschen, die von Afghanistan nach Deutschland einreisen. Diese Menschen suchen hier Asyl. Wir wollen über einen Menschen berichten, der von Afghanistan nach Deutschland kam. Diese Person ist erdacht. Unsere Person heißt Wafa und wurde 1995 in einer Stadt in Afghanistan geboren. Die Stadt heißt Herat. Sie liegt im Südwesten von Afghanistan. Wafa ist ein Junge. Mit Herat verbindet Wafa heute sehr schöne, aber auch traurige Erinnerungen. Wafa denkt viel an seine Kindheit und an seine Freunde in Herat.

Wafa ist das jüngste Kind seiner Familie. Wafas Eltern haben viele Kinder.Wafa kam im Alter von sieben Jahren in die Schule. Das war 2002. Wafa war sehr froh, weil er sich in einer neuen Umgebung kennenlernen konnte. Das Schulgebäude war groß und hatte zwei Stockwerke, in jedem Stockwerk gab es zwölf Klassenzimmer. Das Schulsystem seines Landes unterscheidet sich sehr von denen anderer Länder. Grundschule, Hauptschule, Realschule und Gymnasium sind in Afghanistan in einer Schule vereint. Sie dauert bis zur zwölften Klasse. Am Ende der zwölften Klasse kann man eine große Prüfung machen, um an der Universität zu studieren.

Wafa hat bis zur achten Klasse in seinem Land in der Schule gelernt. Wafa hatte viele Freunde. Von Tag zu Tag ist Wafa größer geworden und er ist aus der Kinderwelt herausgewachsen. Wafa hat viele Dinge über Armut, Krieg und die Unsicherheit in seinem Lande gehört und gesehen. Es war sehr schwer für ihn, nichts dagegen tun zu können.

In seiner Familie gab es auch Probleme. Seine Eltern hatten häufig Angst, dass den Kindern etwas passiert, wenn neben dem Haus Bomben explodierten. Die Eltern waren immer besorgt, wenn Wafa in der Schule war. Seine Mutter hat jeden Tag für die Gesundheit ihrer Kinder gebetet.

2009 kam Wafa in die achte Klasse. Zu diesem Zeitpunkt trafen seine Eltern eine wichtige Entscheidung: "Wir werden auswandern", erklärten sie Wafa. Der damals 14 Jahre alte Junge machte sich große Sorgen wegen dieser Entscheidung. Es fiel ihm sehr schwer, sich vorzustellen, die Heimat zu verlassen. Er liebte sein Land, seine Stadt, all seine Freunde, den Lehrer und die Schule. Wafa wird diese Zeit seines Lebens niemals vergessen können. Die Trennung von all diesen Dingen war so schwer.

Eines Tages sah seine Mutter, dass er traurig war. Sie sagte: "Du sollst dir keine Sorgen machen und nicht traurig sein. Du kannst in Deutschland mit Sicherheit gut leben. Du musst alle Probleme aushalten. Du bist sehr jung und ich möchte, dass du in Sicherheit leben kannst und die Schule besuchen darfst." Sie wollte ihm Mut machen. Sie habe einmal in einem freien Land lernen dürfen, erzählte sie Wafa. Damals habe der Schah ihre Heimat regiert.

Wafa war trotzdem traurig.

Seine Eltern haben alle Dinge verkauft: ihr Haus, ihr Geschäft, ihre Teppiche, das Geschirr, einfach alles. Dann kam der letzte Tag. Der letzte Tage in Afghanistan. O Gott, das war so schrecklich. Er konnte nicht glauben, dass er sein Land für immer verlassen musste. Mit einem Auto sind Wafa, die Eltern und die Geschwister in den Iran gefahren. Dann stiegen sie in einen Bus um und fuhren nach Teheran. Wafa verbrachte zwei Tage in der iranischen Hauptstadt. Nach dem zweiten Tag fuhr er mit der Familie wieder mit dem Auto, diesmal in eine Grenzstadt im Norden Irans. Dort wohnten Wafa und die Familie acht Tage in einem fremden Haus. Dann wanderte Wafa mit vielen anderen Menschen zu Fuß fünf Stunden über Berge, durch Wälder und Täler, um schließlich die Grenze zur Türkei zu überqueren. Es war Nacht und alles war dunkel, niemand hat den Weg gesehen. Das war furchtbar. An der Grenze gab es viele Soldaten. Wafa und die anderen Menschen in seiner Gruppe mussten sich verstecken und sehr leise sein. Wie lange das Warten dauerte und wann er endlich in der Türkei ankam, weiß Wafa heute nicht mehr genau. Er kam in ein kleines Dorf. Dort gab es kein Wasser und kein Essen. Am nächsten Tag ist die Familie in eine kleine Stadt gefahren und hat sich dort in einem Gasthaus einquartiert. Etwa vier oder fünf Tage waren sie im Gasthaus und danach sind sie mit dem Bus nach Istanbul gefahren. Auf dem Weg haben Polizisten alle Fahrzeuge kontrolliert.

Gott sein Dank gab es keine Probleme mit den Pässen. Von Istanbul aus ist Wafa mit seiner Familie zu einer Insel gefahren. Diesen Ort hat Wafa in schlechter Erinnerung. Sie hatten keine Bleibe. Wafa lebte drei Tage auf der Straße. In der Nacht musste Wafa im Park auf dem Gras schlafen. Alle jüngeren Geschwister waren traurig und unglücklich. Wafas Eltern und sein großer Bruder haben ihn getröstet und gesagt, dass die schlechten Tage vorbeigingen. Dann ist Wafa mit einem kleinen Boot nach Griechenland gefahren, auf eine kleine Insel. Es war ein Motorboot, aber es war trotzdem schrecklich. Der Fahrer fuhr unglaublich schnell. Auf der Insel gab es eine Kirche und Soldaten, aber sonst keine Menschen. Wafa dachte, er und seine Familie wären die einzigen Menschen auf der Welt.

Wafa verbrachte mit seiner Familie zwei Tage auf einer Polizeistation. Dort bekamen sie Ausweise. Endlich konnte Wafa mit seiner Familie nach Athen reisen. Dort waren sehr viele Ausländer. Wafas Familie mietete ein Zimmer für 300 Euro. Darin lebten sie zu acht Personen. In Griechenland gibt es Probleme für Ausländer: In einer Wohnung mit drei bis vier Zimmern wohnen zwei oder drei Familien. Alle Lebensmittel sind teuer und es gibt keine Arbeit für Ausländer. Die Menschen in Griechenland streiten sich mit den Ausländern. Nach zehn Tagen in Athen flog Wafa mit dem Flugzeug nach Deutschland.

Wafa wohnt heute in Hamburg. Er ist 17 Jahre alt und besucht die internationale Vorbereitungsklasse in einer Stadtteilschule. Wafa möchte gut Deutsch sprechen lernen, nach der Schule einen Job finden. Wafas größter Wunsch ist es, mit seiner Familie in einer Wohnung zu wohnen. Im Moment lebt Wafa in einer Unterkunft, zusammen mit seinem Vater, getrennt von seiner Mutter.

Wenn es ihm schlecht geht, denkt Wafa immer an eine Weisheit des italienischen Schriftsteller Fabio Geda: Es gibt Tage, da schenkt das Leben dir nichts. Und es gibt Tage, da schenkt es dir alles.