Die Probleme im Nahen Osten sind nicht zuletzt durch perfides Verhalten westlicher Staaten nach dem Ersten Weltkrieg entstanden

Die hassgetränkte Unversöhnlichkeit im Nahen Osten, die Unfähigkeit, endlich ein wirksames Friedensabkommen zu erzielen - obwohl doch offensichtlich ist, dass das jahrzehntelange Blutvergießen allen Beteiligten nur immer neue Wunden schlägt - stößt im Westen auf kopfschüttelndes Unverständnis.

Zum einen wird dabei übersehen, dass sich die Europäer bis vor wenigen Jahrzehnten selber über Jahrhunderte hinweg ständig zerfleischt und als "Erbfeinde" etikettiert haben. Zum anderen wird oft vergessen, dass die Dauerkrise im Nahen und Mittleren Osten nicht zuletzt das Ergebnis perfiden Verrats seitens westlicher Mächte ist.

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 ging nicht nur für Europa eine ganze Epoche und für Deutschland eine 1000 Jahre alte Monarchie zu Ende. In der Folge dieser "Blutmühle" zerfiel auch das gewaltige Osmanische Reich, das seit 1299 bestanden hatte. In der Konkursmasse dieses Imperiums, um das nun erbittert gestritten wurde, finden sich viele Brennpunkte der heutigen Konflikte - wie Israel, Jordanien, Ägypten, Syrien, Irak und Kurdistan.

Der Kampf der Briten gegen die türkische Armee war in diesem Krieg nicht immer gut gelaufen. London kam daher die Unterstützung von Hussein, des arabischen Scherifen von Mekka, mehr als gelegen, der sich auf die Seite der Briten stellte und von 1916 an einen Guerillaaufstand gegen die Osmanen führte. Er wurde dabei unterstützt von dem legendären Briten Thomas Edward Lawrence - Archäologe, Schriftsteller, Offizier und Geheimagent.

Hussein hatte seit 1915 einen Schriftverkehr mit dem britischen Hochkommissar für Ägypten, Sir Henry McMahon, geführt. Der Diplomat hatte darin als Gegenleistung für eine militärische Hilfe Husseins eine Zusage für die staatliche Unabhängigkeit der Araber gegeben, die ein Ende der De-facto-Besatzung der Westmächte anstrebten. Am 5. Juni eröffnete Hussein die Arabische Revolte gegen die Türken. Sein stärkster Verbündeter war "Lawrence von Arabien" - doch der litt unter schwersten Schuldgefühlen: Er wusste, dass Großbritannien und Frankreich nur einen Monat zuvor im geheimen Sykes-Picot-Abkommen den Nahen Osten unter sich aufgeteilt hatten. Palästina wurde unter internationale Verwaltung gestellt. Von arabischer Unabhängigkeit war keine Rede mehr. Es war ein klarer Bruch der Hussein-McMahon-Korrespondenz. In der Konferenz von Sanremo im April 1920 wurde die Aufteilung der Region offiziell beschlossen.

Bestandteil des Friedensvertrags mit der Türkei 1920 war auch die Balfour-Deklaration vom November 1917. Darin hatte der britische Außenminister Arthur James Balfour den Führern der zionistischen Bewegung zugesichert, in Palästina "eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk zu errichten". Husseins Sohn Faisal, König von Syrien und später des Irak, stimmte der Balfour-Deklaration in der Zuversicht auf ein unabhängiges arabisches Reich zu, schloss mit dem Zionistenführer Chaim Weizmann sogar ein Abkommen und schrieb: "Wir werden den Juden ein herzliches Willkommen in der Heimat entbieten." Zwischen beiden Völkern gebe es ein "absolutes Einvernehmen". 1947 beschloss die Vollversammlung der Vereinten Nationen, das in der Zwischenzeit gänzlich den Briten zugeschlagene Mandatsgebiet Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat aufzuteilen. Doch inzwischen waren die Araber der Region derart verbittert, dass Azzam Pascha, Sekretär der Arabischen Liga, den Teilungsplan wütend ablehnte und erklärte, es sei zu spät für friedliche Lösungen, man könne nur noch durch Waffengewalt etwas erreichen. Geändert hat sich an dieser Einstellung bis heute wenig.

Und noch einen massiven Betrug gab es in den Nachwehen des Ersten Weltkriegs: In den Verträgen von Sevres (1920), in denen das Osmanische Reich abgewickelt wurde, gestand der Westen den Kurden - dem größten Volk ohne eigenen Staat - Autonomie im Rahmen der Türkei zu und stellte ihnen einen unabhängigen Staat unter Einschluss weiterer Kurdengebiete in Aussicht. Doch nach dem Sieg der Türken gegen die "Triple Entente" aus England, Frankreich und Russland im Türkischen Befreiungskrieg wurde der Passus 1923 ersatzlos gestrichen. Bis heute wirkt der doppelte Verrat an Arabern und Kurden schmerzhaft nach.