St.-Pauli-Fans machen mobil gegen den eigenen Vize

Mit Fug und Recht ist der FC St. Pauli stolz, der etwas andere Verein zu sein. Vor Heimspielen ertönt die Hymne des Gegners, rechte Stimmungsmache wird verachtet, ausländerfeindliche Sprechchöre sind tabu.

Leider tickt der Klub jedoch auch etwas anders, wenn es um den Umgang mit seiner Führung geht. Bei der Jahreshauptversammlung am kommenden Montag wollen mehrere Fangruppen den Vizepräsidenten Gernot Stenger stürzen - also ausgerechnet den Mann, der sich wie kein Zweiter für die Belange der Anhänger eingesetzt hat. So verhinderte der Rechtsanwalt nach Wurf-Attacken mit juristischer Finesse Geisterspiele am Millerntor, paukte zudem einen Täter aus einer möglichen Insolvenz, indem er das Strafmaß massiv drückte. Dies alles im Ehrenamt, versteht sich.

Bei anderen Klubs würde Stenger gefeiert, beim FC St. Pauli will man ihn feuern. Fanvertreter fühlen sich und ihre Interessen von Stenger, der an dem umstrittenen Sicherheitspapier der Deutschen Fußball Liga mitgearbeitet hat, unzureichend vertreten. Sogar von Lügen ist die Rede. Statt nunmehr den Dialog zu suchen, den Stenger immer gepflegt hat, wird via Internet mobilisiert. Der Mann müsse weg, möglichst schnell. Und überhaupt brauche das gesamte Präsidium mal wieder einen Denkzettel.

Es ist schon sehr erstaunlich, wie dogmatisch gerade die Fangruppen handeln, die sonst stets Toleranz einfordern. Noch unbegreiflicher ist indes das Verhalten des Aufsichtsrats. Statt Stenger endlich öffentlich zu stützen, ducken sich die Räte lieber weg - entweder weil sie insgeheim doch mit der Denkzettel-Taktik sympathisieren oder weil sie im Interesse ihrer Wiederwahl den Konflikt mit Teilen der Fanszene scheuen.

Sicher, der Antrag wird mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern. Stenger genießt im Verein zu viel Anerkennung, um ihn mit der erforderlichen Dreiviertelmehrheit zu stürzen. Die Wunden werden jedoch bleiben, womit die Gefahr wächst, dass Stenger oder seine Präsidiumskollegen eines Tages von sich aus hinwerfen. Für gute Arbeit an den Pranger gestellt zu werden - das braucht keiner. Auch nicht in dem etwas anderen Fußballklub.