Ein Kommentar von Christian-A. Thiel

Alles war legal, getreu den Buchstaben des Sportgesetzes. Ferrari hat in Austin mit brutaler Offenheit gezeigt, dass dem italienischen Rennstall im Kampf um die Formel-1-Weltmeisterschaft jedes (erlaubte) Mittel recht ist. Dass Felipe Massa, der Adjutant des Chefpiloten Fernando Alonso, durch einen taktischen Getriebewechsel um eigene Chancen gebracht wurde, muss als Kollateralschaden abgeakt werden. Schon zu Michael Schumachers Zeiten haben die Italiener gern mal Regie geführt und ihre Fahrer zu Marionetten degradiert: "Lass ihn vorbei - für den Titel", war live über den Bordfunk zu hören.

Das hat viel mit Chuzpe zu tun, aber nichts mit Sportlichkeit. Britische Teams wie McLaren oder Williams haben schon Titel verschenkt, weil sie auf jede Form des Einflusses verzichteten. Was aber würde Red Bull tun, wenn ausgerechnet Mark Webber dem Titel Sebastian Vettels im Weg stünde?

Der berüchtigte Formel-1-Pate Flavio Briatore ließ zu seinen Renault-Zeiten einen Fahrer sogar absichtlich in die Leitplanken fahren, damit sein zweiter Pilot das Rennen gewinnt - der hieß übrigens Fernando Alonso.

So weit wird Ferrari wohl am Sonntag in Brasilien nicht gehen. Was aber, wenn Felipe Massa im Rennen Sebastian Vettel (zu) nahe kommt? Undenkbar? Im Formel-1-Altertum, als es weder Internet noch Livebilder gab, ist genau das geschehen. 1964 schob Ferraris treuer Vasall Lorenzo Bandini im letzten WM-Lauf den Briten Graham Hill von der Strecke, Ferraris Nummer eins John Surtees wurde Weltmeister. Also: abwarten.