Das Miniatur Wunderland lud zur Grundsteinlegung des Konzerthauses und verbesserte die Stimmungslage der Kultursenatorin.

Speicherstadt. Das Wort Elbphilharmonie verursacht mittlerweile höchstens ein mitleidiges Lächeln. Doch wenn das Miniatur Wunderland ein ebensolches Bauprojekt ankündigt, dann elektrisiert es die Massen. Sogar die erfolgsverwöhnten Braun-Zwillinge zeigten sich erstaunt über das große mediale Interesse an der Grundsteinlegung der kleinen Modellschwester des realen Desasters von fast nebenan.

Mehr als 50 Pressevertreter drängelten sich um die neue Baustelle im "Hamburg-Abschnitt", wo Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos), der Generalintendant von Elbphilharmonie und Laeiszhalle, Christoph Lieben-Seutter, und die beiden Modellbaukönige gemeinsam um exakt 10.34 Uhr einen Taktstock in der Modellgrundmauer versenkten und mit niedlichen kleinen Maurerkellen einmauerten.

Dies war ein wahrhaft feierlicher Moment in der vierten Etage, aber rasch überwogen auch schon wieder Frohsinn und Erleichterung, denn allen Anwesenden war klar, dass diese zweite Elbphilharmonie höchstwahrscheinlich in sechs Monaten, ohne Statikprobleme und Nachverhandlungen zum abgesicherten Festpreis hochgezogen werden würde. "Wir wurden in letzter Zeit oft gefragt, 'warum fangt ihr denn jetzt erst an?', sagte Frederick Braun in seiner Ansprache, "aber wir wollten der großen Schwester einen zeitlichen Vorsprung geben. Wir hatten zwischendurch mal schnell die Schweiz gebaut inklusive eines Flughafens mit funktionierendem Brandschutz, aber wir wollten jetzt einfach nicht mehr warten und dachten, lass uns dann mal die Elbphilharmonie dazwischenschieben."

Diese Worte klangen sicherlich ein wenig gönnerhaft. Doch das Wunderland wäre ja nicht das Wunderland, würde es die hochtiefen Steilvorlagen in die Spitze nicht gnadenlos, aber ungeheuer charmant verwandeln.

So fungiert eine "Drunter und Drüber AG" als Bauträgerin, während die "Projektrealisierungsgesellschaft TräGe" das Monumentalkonzerthaus am Miniatur-Kaiserkai mit insgesamt 17 Mitarbeitern in einem Bruchteil der Echtzeit hochziehen soll. Von Anfang an haben jedoch auch die Modellbauer mit schwerwiegenden Planungsfehlern zu kämpfen: So sei bisher lediglich eine einzige Toilette für das Gebäude vorgesehen, musste Gerrit Braun auf Nachfrage zähneknirschend zugeben.

In der eigentlichen Werkstatt, in der zweiten Etage, errichten derweil die Modellbauspezialisten zusätzlich zehn beispielhafte Häuser der HafenCity um das Elbphilharmonie-Modell herum und tüfteln an den Büroarbeiten, die die kleinen Angestellten des Konzerthauses später auf Knopfdruck der Besucher ausüben sollen oder, um korrekt zu sein, "dann doch anders bewältigen als üblich, denn in der Elbphilharmonie funktioniert ja auch noch nichts so richtig", erklärt der dritte Mann des Wunderlandes, Sebastian Drechsler. Also beten die Figuren Kaffeemaschinen an, schubsen eine Praktikantin auf einem Bürostuhl hin und her, kopieren ihren nackten Hintern und treiben noch manch anderen Schabernack. An Ideen mangelt es den Profibastlern ja nicht.

Auf all die kleinen Spitzen reagierte die Kultursenatorin mit einer gelassen-heiteren Rede, in der sie ein bislang wohlgehütetes, sensationelles Geheimnis lüftete: Ausgerechnet eine der berühmtesten politischen Parolen des Jahrzehnts sei nämlich hier, während eines Hamburg-Besuchs des späteren amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama im Jahre 2006 entstanden, verriet Barbara Kisseler: "Er wollte damals wissen: ,Könnt ihr eines der besten Konzerthäuser der Welt ohne abgestimmten Zeitplan zu Fixkosten bauen?' Die Antwort lautete: 'Yes, we can!'"

Barbara Kisseler betonte - wie auch Generalintendant Christoph Lieben-Seutter, der einen tiefen Einblick in sein Modelleisenbahnerherz gestattete -, dass sie das Bauvorhaben als "positiv und beflügelnd" für die weiteren Kraftanstrengungen empfänden, auch den echten Koloss endlich zu Ende zu bringen. "Ich bewundere Ihren Mut, dass Sie jetzt das Experiment wiederholen wollen", gab sie den Bauherren mahnend auf den Weg. Genüsslich entwarf sie dann zum Ende ihrer Rede hin ein Horrorszenario, das sie aus Spekulationen um die Einhaltung der Bauzeit, der Kosten sowie der Richtigkeit der Statik komponierte. "Denn irgendjemand wird mit Sicherheit einmal infrage stellen, ob Ihr Kaispeicher wirklich hält", sagte sie. Da erstarrten die Braun-Zwillinge für einen Augenblick, bis Barbara Kisseler lächelnd fortfuhr: "Und wenn Sie das dann dementieren wollen, sage ich Ihnen gerne, wie das geht."