Was passiert, wenn man in Hamburg wohnt und ständig parkt wie ein Depp? Dann lernt man in Tiefstack viele sehr nette Menschen kennen.

Hamburg. An das erste Mal kann ich mich noch gut erinnern. Ich weiß, dass es kalt war, ich lang an einer Bushaltestelle gewartet und vor Wut ein bisschen geheult habe. Ein abgeschlepptes Auto ist ja irgendwie immer ein Tiefpunkt im Leben. Vor sechs Jahren muss das gewesen sein, ich war gerade nach Hamburg gezogen und hatte mein Auto zu nah an einer Straßenmündung geparkt. Die Müllabfuhr kam nicht mehr richtig um die Ecke, das erklärten mir die Herren der Stadtreinigung direkt vor Ort, als sie mein Gesicht sahen. Aber es nützte ja nichts. Das Auto war weg, und ich lernte die Verwahrstelle in Tiefstack kennen.

Seitdem war ich bestimmt ein halbes Dutzend Mal dort, zuletzt vor einem halben Jahr. Das weiß ich deshalb so genau, weil ich den Raum hinter dem Sicherheitsglas betrat, die Blicke der Mitarbeiter bemerkte und dachte: Die kennen mich!

Die Menschen dort sind alle sehr freundlich, aber nicht überaus mitleidig, die machen ja auch nur ihren Job. Ich möchte mir nicht vorstellen, was die sich dort so alles anhören müssen. Auch von Menschen wie mir. Im Juni hatte ich schon wieder zu weit an einer Kreuzung geparkt, an einer Stelle, an der immer auch andere parken, aber natürlich wurden die nicht abgeschleppt.

Ich habe dann mehrere Wochen damit verbracht, Fotos von diesen anderen Autos zu machen. Natürlich ohne Kennzeichen, bin ja keine Petze. Am dritten Tag meiner Mission empfingen mich die Polizisten auf der Wache bereits etwas genervt, es dauerte eine Zeit, bis sie verstanden, dass es mir weder darum ging, das Geld zurückzubekommen noch andere anzuschwärzen. Ich wollte einfach nur den Satz hören, dass ich ein armes Schwein bin. Nirgendwo sonst in Deutschland ist das Abschleppen so teuer, und ausgerechnet in diese Stadt musste ich ziehen.

Das Parken und mich verbindet keine innige Beziehung. Ich weiß auch nicht, woran das liegt, weil ich gern Auto fahre und in fast jede Parklücke komme. Aber ich achte einfach nicht darauf, wo mein Wagen steht, wenn ich aussteige. Ich bin dann oft in Gedanken. Einmal habe ich in meiner Straße am Rand einer Baustelle geparkt, es war mitten im September. Das absolute Halteverbot galt bis zum 30. Wie gut, dass wir Oktober haben, dachte ich und stieg aus. Am nächsten Morgen fuhr ich dann mal wieder nach Tiefstack.

Menschen wie meinen Vater macht so etwas wahnsinnig. Ich kann das gut verstehen. Deshalb habe ich gemeinsam mit meiner Mutter inzwischen ein verlässliches System erarbeitet, anhand dessen wir uns verständigen, wenn ES mal wieder passiert ist. Mein Auto ist ja nach wie vor auf meinen Vater zugelassen. Ich schicke dann eine SMS auf das Handy meiner Eltern, in der irgendwas von Schuhen oder Handtaschen steht, das liest sich mein Vater nicht durch. Daraufhin ruft meine Mutter zurück. Sobald sie weiß, dass da wieder ein Schreiben von der Behörde ansteht, lenkt sie gegen Mittag, wenn die Post kommt, meinen Vater ab, scharwenzelt zum Briefkasten und fischt verdächtiges Material vorsorglich heraus. Das hat die letzten Male eigentlich ganz gut geklappt.

Und wenn nicht? Tja. Dann muss ich meinem Vater wieder erklären, was Frauen und Männer im Leben so unterscheidet. Ich glaube das natürlich nicht wirklich, weiß aber, dass danach Ruhe ist. Also, nach dem ziemlich langen Seufzer und dem fassungslosen Kopfschütteln. Bei dem Gedanken daran, wie viel Geld ich schon an gute Zwecke hätte spenden können, werde ich auch fassungslos. Und ein weiterer Gedanke kam mir neulich, als man überall von drohenden Staatspleiten in Europa las. Sollte diese Stadt eines Tages bankrott sein, dann kann es an mir nicht gelegen haben.