Warum es falsch ist, Naturschutz gegen Wirtschaft auszuspielen - und die Hafenarbeiter zu Recht die Vertiefung der Fahrrinne fordern

"Unsere Schiffe sind eine schwimmende Brücke über den Ozean", jubelte Bürgermeister Max Brauer im April 1951, als die Alliierten endlich alle Baubeschränkungen zu Größe, Geschwindigkeit und Tonnengehalt von Handelsschiffen aufgehoben hatten. "Die Freiheit der Meere ist wieder Wirklichkeit geworden", so Brauer damals. Nun könne Hamburg hoffen, zu seiner alten Größe als Welthafen zurückzukehren. Und so kam es dann auch.

Heute ist diese Größe in Gefahr. Und es ist das gute Recht der Hamburger Hafenarbeiter, am Freitag für den Ausbau der Elbe zu demonstrieren. Es geht schließlich um ihre Arbeit und die Zukunft des Nordens als Wirtschaftsregion. Der vorläufige Baustopp, den die Leipziger Richter gegen die Elbvertiefung verkündet haben, kann rechtlich nicht angezweifelt werden. Aber er ist ein Entwicklungshemmnis für den Hafen und die gesamte nordostdeutsche Region. Und er kann im Konkurrenzkampf der Welthäfen erhebliche Nachteile bewirken für den deutschen Außenhandel. Deshalb sollte das Gericht der juristischen Prüfung des Elbausbaus höchste Priorität einräumen und so schnell wie möglich in der Hauptsache entscheiden. Eine jahrelange Verzögerung dieser Infrastrukturmaßnahme würde dem Norden schlecht bekommen.

Eigentlich gilt der alte Gegensatz von Ökonomie und Ökologie, von Arbeit und Umweltschutz als überwunden. Längst hat die Diskussion einen höheren Stand erreicht: Jedes Windrad, jede Solaranlage, jeder neue Heizkessel, jede kluge Wärmedämmung beweist, dass ein Wachstum mit Qualität den Wohlstand aller mehren kann. Aber auch auf den Wasserwegen entsteht ein Wachstum, das nachhaltig ist. Um die Ladung eines Frachters mit 9000 Standardcontainern ins Binnenland bringen zu können, sind 6000 Lkw nötig. Wer den Ausbau der Elbe dauerhaft blockiert, setzt vor allem viele Laster in Bewegung - ich kann nicht erkennen, was daran ökologisch sein soll. Jede Fracht aber, die auf dem Fluss bis weit in die norddeutsche Tiefebene gebracht werden kann, entlastet die Straßen und das Klima. Der Hafen als modernes Logistikzentrum und organisierter Arbeitsplatz ist 1000-mal besser als Anarchie und Wildwuchs in den Warenbeziehungen. Rotterdam, Antwerpen und Wilhelmshaven werden nie das schaffen, was Hamburg seit Jahrzehnten kann: Drehscheibe sein für Nord- und Osteuropa.

Die Gewerkschaften und Betriebsräte haben den Umweltschutz längst auf der Rechnung. Deiche und schützenswerte Räume sollen den Renditen ebenso wenig untergeordnet werden wie die Gesundheit der Arbeitnehmer. Aber ein fairer Interessenausgleich ist auch ohne juristische Blockaden möglich. Und manchmal frage ich mich, ob diejenigen, die jetzt fast romantisch-verklärt von Tide-Biotopen und einer Elbe ohne Großcontainerschiffe schwärmen, jemals an die Sorgen einer Familie denken, deren Existenz abhängt von einem guten Job im Hafen und auf den Schiffen, vom Groß- und Einzelhandel einer Dienstleistungsmetropole.

Kampf gegen den Elbausbau, Kampf gegen moderne Kohle- und Gaskraftwerke, Kampf gegen Stromleitungen und Windparks, Kampf gegen modernen Wohnungsbau: Was für ein Land soll das werden, in dem Industrie und Infrastruktur systematisch in ein schlechtes Licht gerückt werden? Am Laptop und in sozialen Netzwerken allein kann keine gute Zukunft entstehen - reale Wirtschaft gehört dazu, mit handfesten Produkten, die so umweltfreundlich und effizient wie möglich transportiert werden müssen.

Die norddeutschen Länder sollten deshalb noch besser kooperieren, in der Verkehrspolitik, für die Energiewende und mehr. Streiterei um Windmessen ist etwas für Provinzbühnen. Nur wenn Industriepolitik zu guter Arbeit mit fairen Löhnen und nachhaltiger Entwicklung führt, wird dies der Region dauerhaft nützen. Nur wenn der Norden gemeinsam und stark die Stimme erhebt, wird das auch in Berlin und München gut zu hören sein. Betätigungsfelder für die Bundesminister gibt es genug hier: an der Elbe und am Nord-Ostsee-Kanal, für den Gütertransport, im öffentlichen Nahverkehr und zugunsten der Pendler, bei der energetischen Nutzung von Wind, Sonne und Wasser.

Die Krise ist noch lange nicht überstanden. Wer in einer Zugmaschine der Weltwirtschaft ausgerechnet in diesen schwierigen Zeiten die industrielle Entwicklung blockiert, trägt eine große Verantwortung - auch für diejenigen, deren Zukunft nun einmal gründet auf Industriearbeit, Handel und der Freiheit der Meere.