Der 22-fache deutsche Meister Frank Schönfeldt schneidert mit seinem Unternehmen Clown Sails Hightech-Tuch für Boote - mit großem Erfolg.

Hamburg. Das Erste, was in Frank Schönfeldts Büro ins Auge fällt, sind Bahnschienen. Die Modellboote, die um seinen Schreibtisch herum stehen, waren beim Inhaber der Segelmacherei Clown Sails zu erwarten. Aber wohin führt die Märklin-Schiene in Spur H0, die vom Aktenschrank aus die Wand hinaufreicht und dann durch ein Loch in der Mauer verschwindet? "Meine neue Rohrpost für interne Mitteilungen", sagt Schönfeldt grinsend und zeigt auf das rollende Material, filigrane Lokomotiven und Waggons. "Die Bahn soll durch die Flure in die Werkstatt und im Laden bis zur Kasse fahren. 25 Meter Schiene haben wir schon gelegt, 100 Meter sollen es werden."

Schönfeldt, 57, liebt das Spielerische wie das Sportliche gleichermaßen. So kommt er von den Bahnschienen im Büro nahtlos auf seinen Weltrekord von 2005 zu sprechen. Mit seinem alten Freund, dem Berliner Modellbahn-Enthusiasten Ralf Kulicke, stellte Schönfeldt seinerzeit im Elbe-Einkaufszentrum vor 2000 Zuschauern den neuen Spitzenwert für den längsten Modellbahnzug auf. Mit 528 Waggons plus Lokomotiven erreichte das Gespann 152 Meter Länge, es fuhr 408 Meter weit.

Monatelang hatten beide den Angriff auf die bestehende Bestmarke akribisch vorbereitet. Schönfeldt besorgte Waggons mit kleinen Schiffscontainern, bedruckte sie mit Firmenlogos und verkaufte sie weiter an seine Sponsoren. Schon wenige Wochen später entriss ihnen das Hamburger Miniatur Wunderland den Rekord wieder. Und doch hat es sich gelohnt: "Wir wollten ins Guinessbuch", sagt Schönfeldt. "Das haben wir geschafft."

Im Modellbahnbereich blieb es bei einer Meisterleistung. Auf Segelbooten hingegen fährt der gebürtige Blankeneser seit Jahrzehnten vorne mit. 22-mal wurde er deutscher Meister, vor allem in den Jollenklassen Pirat und Conger und mit Kielschwertbooten vom Typ Varianta. Seit einigen Jahren erringt er auch bei den Regatten der Kielboot-Klasse J 24 Erfolge. Der Veteran gewann Europameisterschaften und siegte im Januar 2012 mit seiner Frau Sany, 43, im chilenischen Valdivia bei der ersten Weltmeisterschaft für Piraten.

Schönfeldt liebt das Segeln, obwohl er, wie er sagt, "mit 18 Jahren sehr spät angefangen hat". Dann aber richtig. Mit Jollen segelten er und seine Freunde auf der Elbe und mit traditionsreichen Blankeneser Jugendkuttern bis auf die dänische Ostseeinsel Anholt. Auch beruflich orientierte er sich seinerzeit neu. Nach einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann ging er beim Altonaer Segelmacher Schlott in die Lehre, brachte es dort bis zum Meister und gründete 1982 sein eigenes Unternehmen Clown Sails.

Die enge Vernetzung von Beruf und Sport zahlt sich für Schönfeldt vielfach aus. Bei Regatten in Deutschland und Europa ist er präsent und bekannt. Da kämpft er nicht nur selbst um Punkte und Plätze, sondern verkauft auch Segel, Ausrüstungen und seine bislang drei CDs, auf denen er sein Seglerleben mit seiner Band "Matrose Schönfeldt und die Schwimmwesten" musikalisch verarbeitet hat. "80 Prozent aller Aufträge macht man abends am Tresen", sagt er. "Wie viele Bierdeckel habe ich schon vollgeschrieben ..."

Seine sportlichen Erfolge wiederum sind die beste Werbung für seine Segel: "Regattaseglern, und natürlich auch allen anderen Kunden, verkaufen wir nicht nur unser Handwerksprodukt, sondern auch die Erfahrungen, die wir in etlichen Segelwettbewerben selbst gemacht haben." Das Segeln ist Firmen- und Familiensache zugleich. Zu Schönfeldts festen Teams zählen Mitarbeiter ebenso wie sein Sohn Till, eines seiner vier Kinder, und seine Frau Sany, die wiederum bei Clown Sails das Geschäft mit Mode und Taschen betreut.

Die eingeschworene Gemeinschaft empfindet Schönfeldt als die große Stärke von Clown Sails an einem zunehmend harten Markt. Das Sportbootgeschäft in Deutschland macht schwierige Zeiten durch, wie eine Branchenumfrage vor der diesjährigen Messe Hanseboot zeigt, die heute in der Hamburg Messe beginnt. Vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise halten sich die Kunden in Europa zurück. Zugleich stehen kleine Unternehmen wie Clown Sails bei den Ausrüstungen einer zunehmenden Konzentration größerer Anbieter gegenüber, aber auch einer Verlagerung der Produktion nach Asien. "Viele europäische Segelmarken lassen mittlerweile in asiatischen Ländern fertigen. Dagegenzuhalten ist bei unserem Lohnniveau natürlich schwierig", sagt Schönfeldt.

Mit seinem Image, mit Markenpflege, aber auch mit einer Ausweitung des Angebots versucht er, im Wettbewerb zu bestehen. Die Segelwerkstatt geht direkt in den Verkaufsraum über. An einem Zuschneidetisch schneidet ein Mitarbeiter Segeltuch, das zuvor von einem computergesteuerten Plotter seine Muster erhalten hat. Nebenan stehen schwere Nähmaschinen. In den Materialregalen liegen Rollen mit weißen und farbigen Segeltuchen, Säcke mit neu genähten und reparierten Segeln, mit Bootsabdeckungen, aber auch mit Persenningen für Balkongeländer. "Wir haben unser Angebot immer weiter ausgebaut. Wir machen Sichtschutze, Sonnensegel, kürzlich auch mal einen Duschvorhang aus einem alten Segel", sagt Schönfeldt. "Wir nähen auf Wunsch alles, außer Hosen enger."

Vorn im Raum steht seine Frau an der Kasse. Ständig kommen Kunden in die Ladenwerkstatt in der Sülldorfer Landstraße, die früher mal ein Edeka-Markt war und deren lange schmale Abmessungen ideal für Segelformate sind. Manche wollen mit dem Chef über neue Segel oder eine Persenning für ihr Boot sprechen. Andere interessieren sich für Pullover, Mützen oder für die Taschenkollektion von Clown Sails. "Kein Werkstück ist wie das andere", sagt Sany Schönfeldt. "Die Materialien und Schnitte sind bei jeder Tasche individuell." Auch die Dekoration ist flexibel. Die Farbe des Clowns im Firmenlogo wechselt alljährlich.

Gut 1000 Segel fertigt Clown Sails im Jahr, vor allem vom Frühjahrsbeginn bis Ende September. "Dieser Teil des Geschäfts ist extrem saisonabhängig", sagt Schönfeldt. Auch die Wetterlage habe einigen Einfluss auf das Orderbuch von Clown Sails. "Jeder Tritt auf die Bremse bringt ein Auto der Werkstatt näher. Segel verschleißen vor allem bei Manövern, beim Wenden und Halsen. Wenn ich die Fahrtensegler im Sommer elbabwärts fahren sehe, denke ich immer: Hauptsache Ostwind", sagt Schönfeldt lachend. "Dann müssen sie auf dem Rückweg gegen an."