Alle Kosten kommen auf den Prüfstand. Die Rendite fällt zu gering aus. Der Konkurrent Ford schließt während dessen weitere Werke in Europa.

Stuttgart/Hamburg. Gewinneinbruch, Aktienkurs im Keller, schwache Rendite - der Autokonzern Daimler hat keine gute Phase erwischt. Gegensteuern will das Unternehmen jetzt mit einem milliardenschweren Sparprogramm. Das "Fit for Leadership" (Fit für die Führungsposition) genannte Vorhaben soll von 2014 an mit zwei Milliarden Euro zum Ergebnis beitragen, wie Finanzvorstand Bodo Uebber sagte. Mehr als 50 Prozent des Betrags sollen schon 2013 realisiert werden. Der Grundsatz laute: "Was unsere Wettbewerbsfähigkeit steigert, wird gemacht, auf alles andere wird verzichtet."

Das Unternehmen will sich alle Kosten genau anschauen. Davon wird auch die Belegschaft nicht ausgenommen. Es sollen aber keine Kündigungen ausgesprochen werden. Daimler setzt auf Abfindungsprogramme und Regelungen zur Altersteilzeit. Welche Auswirkungen das Programm auf das Mercedes-Werk in Harburg mit rund 2500 Beschäftigten hat, war gestern nicht von Daimler zu erfahren.

Wie dringend der Konzern an seiner Profitabilität arbeiten muss, zeigen nicht zuletzt die Zahlen für das dritte Quartal. Durch eine Panne im New Yorker Büro hatte Daimler diese bereits am Mittwochabend veröffentlicht. Statt mit 8,8 Milliarden Euro wie im Vorjahr rechnet der Konzern 2012 demnach nur noch mit einem Ergebnis vor Steuern und Zinsen von 8,0 Milliarden Euro.

Damit kassiert Daimler wie bereits von einigen Analysten erwartet seine Jahresprognose für den Gesamtkonzern. Zuvor hatte das Unternehmen bereits die Erwartungen für seine Autosparte Mercedes-Benz Cars zurückgeschraubt. Auch die ehrgeizigen Renditeziele für die einzelnen Sparten werden zunächst zurückgestellt. "Der Konzern geht davon aus, die Ziele erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erreichen", erklärte Daimler.

Die Aktie sackte gestern zeitweise um mehr als drei Prozent ab und notierte zwischenzeitlich bei 36,31 Euro. Von Juli bis September verkaufte Daimler weltweit 528 600 Pkw und Nutzfahrzeuge, das war ein Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Pkw-Sparte fuhr in dem Zeitraum mit 345 400 Einheiten sogar einen Rekord ein. Auch Daimler Trucks legte beim Absatz um drei Prozent auf 119 100 Einheiten zu. Der Umsatz stieg um acht Prozent auf 28,6 Milliarden Euro. Doch die beiden Mercedes-Benz-Konkurrenten BMW und Audi arbeiten wesentlich profitabler als die Stuttgarter.

Daimler kommt laut Uebber aktuell auf eine Rendite bei den Pkw von sieben Prozent und bei Trucks von fünf bis sechs Prozent. Doch der Konzern strebte ursprünglich für beide Bereiche eine Zielrendite von zehn beziehungsweise acht Prozent ab 2013 an. "Wir können die Markteinflüsse nicht ignorieren und an Zielen festhalten, die nicht realistisch sind", so Uebber. Der Konzern will sie nun zu einem nicht definierten späteren Zeitpunkt erreichen. Das Ergebnis wurde vor allem durch hohe Kosten für Produktneuheiten belastet. Zudem investiert Daimler massiv in die Entwicklung, um mit einer breiten Modellpalette gegenüber BMW und Audi Boden gutzumachen. Bis 2020 ist das Ziel der Stuttgarter, die Nummer eins unter den Premiummarken zu sein.

Schwierigkeiten hat Daimler sogar im Boommarkt China, wo die Vertriebsstrukturen noch ineffizient sind und die Profitabilität der Händler zu wünschen übrig lässt. Allein in das Training der Händler und einen verbesserten Markenauftritt will Daimler im laufenden vierten Quartal 850 Millionen Euro investieren. Probleme bekam auch die Lkw-Sparte Daimler Trucks, die von der schwächelnden Konjunktur in Westeuropa voll erwischt wurde. Zudem verliefen die Geschäfte in Lateinamerika durch die Einführung einer neuen Abgasnorm schleppend.

"Wir sind heute noch nicht da, wo wir mit Daimler mittel- bis langfristig hinwollen", räumte Uebber ein. Derzeit hat Mercedes-Benz im Vergleich zur Konkurrenz von BMW und Audi eine wesentlich ältere Modellpalette. Das wird sich erst in den kommenden Jahren ändern. 2013 kommt die neue S-Klasse auf den Markt, die E-Klasse wird runderneuert. 2014 folgt die neue C-Klasse. Mit der modernen B- und A-Klasse brachte der Autohersteller zudem im vergangenen und in diesem Jahr Modelle für die breite Masse auf den Markt, die zu weiterem Wachstum führen sollen. Auch bei den Trucks stellte Daimler in diesem Jahr zahlreiche neue Modelle vor, die in Zukunft den Absatz ankurbeln sollen.

Nicht nur Daimler hatte gestern schlechte Nachrichten für den Automarkt, auch Ford überraschte mit neuen Hiobsbotschaften. Der US-Konzern plant in Europa weit drastischere Einschnitte als bislang bekannt: Bis 2014 will der Autobauer nicht nur sein Werk im belgischen Genk, sondern auch zwei weitere Fabriken in Großbritannien schließen. Rund 6200 der insgesamt 47 000 Arbeitsplätze des Konzerns in Europa sollen dem Sparkurs zum Opfer fallen. Durch diese Radikalkur will Ford sein kränkelndes Europageschäft bis 2015 wieder in die schwarzen Zahlen bringen. In diesem Jahr erwartet der Konzern hier einen Verlust von rund 1,2 Milliarden Euro. Langfristiges Ziel sei eine Umsatzrendite von sechs bis acht Prozent. Der Chef von Ford Europa, Stephen Odell, stellte klar: "Die Probleme der Automobilindustrie in Europa sind mittlerweile nicht mehr nur konjunkturbedingt, sondern struktureller Natur und erfordern daher entschlossenes Handeln." Und Ford-Chef Allan Mulally ergänzte: "Wir sind uns bewusst, welche Auswirkungen unsere Pläne für viele Beschäftigte und deren Familien hier in Europa haben werden."