Streit über Größe des geplanten Neubaugebiets mit 750 Wohnungen in Groß Borstel. Autobrücke über die Tarpenbek einhellig abgelehnt.

Hamburg. Wolf Wieters bringt es gleich eingangs auf den Punkt: "Es geht darum herauszufinden, was das Beste für Groß Borstel, das Beste für das Gemeinwohl ist", so der Vorsitzende des Kommunal-Vereins Groß Borstel, der in die Aula der Carl-Götze-Schule eingeladen hat, um mit Bezirkspolitikern und Bürgern über die Anbindung des geplanten Neubaugebiets Tarpenbek Greens an den Stadtteil zu diskutieren. Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs sollen 750 Wohnungen gebaut werden. Derzeit ist das zwölf Hektar große Gebiet, das im Norden von der Tarpenbek begrenzt wird, im Osten von den Kleingärten der BahnLandwirtschaft und im Süden von Bahngleisen, nur von der Straße Kellerbleek aus zu befahren.

Auch Nord-Bezirksamtsleiter Harald Rösler ist gekommen, "um die Meinungsbildung mitzubekommen", an diesem Abend um die viel diskutierte Brücke und die künftige Verkehrssituation. Angedacht war von Anfang an eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke über den kleinen Bach, auf Betreiben des Kommunal-Vereins und der Fraktionen wurde aber auch die Möglichkeit einer Brücke für den Autoverkehr geprüft. Als Stadtplaner Torben Sell diese bis zu 2,9 Millionen Euro teure Variante vorstellt, herrscht blankes Entsetzen im Saal. Dafür müssten zahlreiche Bäume gefällt werden, ein Sportler-Vereinsheim weichen, und durch den verkehrsberuhigten Brödermannsweg, an dem mehrere Schulen und Kitas liegen, würden künftig bis zu 600 Autos zusätzlich fahren. Das lehnen nicht nur die Anwohner ab, sondern auch SPD, FDP, CDU und Grüne. Thomas Domres (SPD), Fraktionsvorsitzender im Stadtentwicklungsausschuss, nennt die zehn bis elf Meter breite Straßenschneise "städtebaulich verheerend", auch CDU-Nord-Chef Andreas Schott lehnt eine Straße ab, "die Autobahncharakter hat". Nun soll die etwa 600 000 Euro teure kleine Radbrücke kommen.

Den neuen Wohnraum braucht Groß Borstel, darin sind sich die Bezirkspolitiker einig. "Jede neue Wohnung ist in dieser Stadt ein Glücksfall", sagt Michael Werner-Boelz, Fraktionschef der Grünen im Bezirk Nord. Im Neubaugebiet sollen irgendwann 2000 Menschen wohnen. Derzeit leben 7800 in Groß Borstel. "Der Stadtteil ist deutlich überaltert", sagt Schott, was im Saal mit Murren quittiert wird. "Wir brauchen Familien mit Kindern."

Deutlich machen alle Fraktionen, dass die Zahl von 750 Wohnungen nicht verhandelbar ist. Das wünschen sich viele Anwohner, um den Verkehr in Grenzen zu halten. "Wenn wir auf 350 Wohnungen zurückfallen würden - für netto 24 Kleingärten", dann sei das keine Antwort auf die Wohnungsnot der Stadt. "Das sind Partikularinteressen", sagt Domres und löst damit einen Proteststurm der Kleingärtner aus.

Bezirkschef Rösler weist den Vorwurf mehrerer Anwohner zurück, der Bezirk Nord wolle sich als Musterschüler im Wohnungsbauprogramm Hamburg, das 6000 Baugenehmigungen pro Jahr verbindlich vorsieht, profilieren. "Wenn wir die Situation verbessern wollen, müssen wir jedes Jahr Wohnungen in dieser Größenordnung an den Markt bringen", so Rösler.

Laut einem Verkehrsgutachten wird das Neubaugebiet 3100 zusätzliche Autofahrten mit sich bringen. "Bei dieser Größe wäre es wünschenswert, eine zweite Anbindung zu haben. Wir sind aber überzeugt, dass es auch mit einer Anbindung gut funktioniert", sagt Verkehrsgutachter Thorsten Buch. Klar sei, dass sich dafür am Nedderfeld etwas ändern muss, damit sich nicht noch größere Rückstaus bildeten. Eine separate Rechtsabbiegerspur zum Kellerbleek soll eingerichtet, die Linksabbiegerspur verlängert und eine "intelligente" Ampelanlage installiert werden, die die Grünphasen für abbiegende Fahrzeuge verlängert, so der Verkehrsexperte. Doch die Zuhörer bleiben skeptisch.

Im Vorstand des Kommunal-Vereins gibt es noch keine einheitliche Position zur Größe der Bauten. "Wir werden bei unserer Sitzung am 6. November ein Fazit ziehen", sagt Wolf Wieters. Das Gemeinwohl zu suchen ist keine Sache, die an einem Abend erledigt ist.