Florentine Pawlowski sichert Fingerabdrücke und Fasern. Sie macht den Täter am Tatort sichtbar, hat aber auch ein offenes Ohr für die Opfer.

Hamburg. Wie ein aufgeregter Kolibri fliegt der bauchige Pinsel über das Türglas. Bei jeder Berührung, Drehung, hinterlassen seine Kunstfaserhärchen eine hauchdünne Schicht Ruß auf der Scheibe, decken Verborgenes auf: Linien, Flächen; ein abstraktes Gemälde aus schwarzem Staub entsteht auf der Eingangstür zum Kirchdorfer Kaffeestübchen am Schwentnerring. Nichts davon interessiert Florentine Pawlowski. Die 38-Jährige ist auf der Suche nach einem besonderen Muster: nach Fingerabdrücken der Täter, die am frühen Morgen in das kleine Frühstücksgeschäft eingebrochen waren.

Es ist bereits der dritte Einbruch, den die Expertin von der Spurensicherung an diesem Vormittag bearbeitet. Doch die Chancen stehen schlecht: Anhand der Rußabdrücke wird im Schein ihres sogenannten Crimelights - einer Taschenlampe, bei der die Wellenlänge des Lichtes mit Filtern verändert werden kann - schnell klar, dass die Täter Handschuhe getragen haben müssen. "Die Nanorußpartikel setzen sich auf das Fett, das zum Beispiel bei Berührung abgegeben wird, und machen so auch Fingerabdrücke sichtbar."

Papillarleisten aufzuspüren gehört zur Grundarbeit der Kriminalisten. Doch Pawlowski und ihre knapp 30 Hamburger Kollegen, die in Schichten rund um die Uhr in Bereitschaft sind, können noch viel mehr: Mittlerweile ist es für Täter nahezu unmöglich, ein Verbrechen zu begehen, ohne ihre Anwesenheit zu verraten: DNA, Fasern, Drogen, Schmauchspuren, Flüssigkeiten, Hautabdrücke, den Möglichkeiten der Spurensicherer, die seit 1995 eine eigene Dienststelle im Landeskriminalamt bilden, sind mittlerweile kaum Grenzen gesetzt. Acht weitere Dienststellen arbeiten an der Auswertung und Aufbereitung. Dort werden etwa auch Fingerabdrücke auf Papier durch aufgedampften Sekundenkleber sichtbar gemacht.

Im Café in Kirchdorf sieht es auf den ersten Blick ganz normal aus, wäre da nicht Rita Antz, die der Polizeiangestellten aufgeregt gestikulierend über die Schulter schaut, und der lädierte Zigarettenautomat, der kopfüber im Vorratsraum steht. Teile der Automatenverkleidung liegen auf dem Boden verteilt. Die Elektronik des Metallkastens ist zerstört, doch bis zu den in seinem Inneren verborgenen Zigaretten sind die Einbrecher nicht vorgedrungen.

"Wir haben immer nur eine Chance, Spuren zu sichern", sagt Pawlowski, während sie vorsichtig alle Räume inspiziert. Bevor sie den Tatortbericht ihrer Kollegen lese, lasse sie sich vor Ort beschreiben, was passiert sei. "So kann ich besser erkennen, wo die besten Spuren sind." In Kirchdorf ist der Fall klar: Mit Schraubendrehern müssen die Täter die Tür aufgebrochen und den schweren Automaten in die Kammer gezogen haben. Als sie dort nicht wie erhofft Beute machten, flüchteten sie.

"Der Schaden beträgt vielleicht 20 oder 30 Euro. Da backe ich mir ein Ei drauf", sagt Cafébetreiberin Antz mit Blick auf das Bonbonregal, an dem sich die Einbrecher noch bedienten. "Was mich ärgert, ist, dass die Täter auch die Spendendose vom Kinderhospiz mitgenommen haben." Pawlowski nickt verständnisvoll, während sie mit einer Gelatinefolie einen Schuhabdruck auf dem Zigarettenautomaten abnimmt.

"Wir sind die letzten an einem Tatort", sagt sie wenig später vor dem grauen Kastenwagen, der ihr Equipment birgt. "Alles, was bis dahin nicht gemacht wurde, müssen wir auffangen." Heißt: Pawlowski muss nicht nur Tatortarbeit leisten, sondern oft genug auch Mut zusprechen, ein offenes Ohr für die Opfer haben. So wie bei der sechsköpfigen afghanischen Familie im Parterre an der Charlottenburger Straße, dem ersten Fall. Die Täter kamen in der Dämmerung über den Balkon und das Kinderzimmer, als der 35 Jahre alte Vater beim Pizzabringdienst arbeitete. Seitdem haben seine Frau und die vier Kinder Angst. Die Familie schläft nur noch zusammen im Wohnzimmer.

"Insbesondere Frauen kommen damit nur schwer klar, dass bei ihnen eingebrochen wurde", sagt die ehemalige Rechtsanwaltsgehilfin Pawlowski, die die halbjährige Ausbildung im LKA 2003 als Quereinsteigerin begann. Doch auch sie lässt der Job nicht kalt: Auch wenn Einbrüche die Masse der Tatorte ausmachen, Pawlowski muss auch bei Tötungsdelikten, Vergewaltigungen und anderen schweren Verbrechen ran. Ihr spektakulärster Fall: 2006 enthauptete ein 40-Jähriger in Harburg seine Ehefrau und trug ihren Kopf zu einer nahen Tankstelle.

"Ich habe mich bei meiner Bewerbung schon gefragt, ob ich leichenfest bin", sagt die lebensfrohe und selten schlecht gelaunte Barmbekerin. Mittlerweile hat sie es unter Beweis gestellt, allerdings mit Einschränkungen: "Kann ich es mir aussuchen, krieche ich lieber über eine Leiche rüber, als dass ich ihr die Fingernägel schneide." Dennoch: Fingernägel sind wichtige Spurenträger. Kam es bei einer Tat etwa zu einem Kampf, finden sich unter den Nägeln oft Hautpartikel des Täters.

Auf der Blende des Zigarettenautomaten hat Pawlowski dann doch noch Erfolg: Eine schwarze Fingerkuppe prangt deutlich auf dem grauen Kunststoff. Die 38-Jährige zieht den Rußabdruck mit einem speziellen Tape ab, das sie wiederum auf ein Stück Pappe klebt. Die Spur ist gesichert, für Jahrzehnte. Ob sie taugt, müssen ihre Kollegen in der Daktyloskopie klären. Mindestens zwölf Merkmale benötigen die Spurenspezialisten, um einen Fingerabdruck abgleichen zu können.

Florentine Pawlowski hat den ersten Schritt getan: Ob der Täter damit auch überführt werden kann, bleibt allerdings ungewiss. Dafür müssen seine Fingerabdrücke bereits gespeichert worden sein. Sonst ermittelt die Polizei weiter gegen unbekannt.