Olaf Scholz ist gefordert: Hamburgs Probleme sind nicht mehr mit leichter Hand zu lösen

Olaf Scholz zählt zu den Hamburger Bürgermeistern, die am besten vorbereitet ins Amt gekommen sind. Ole von Beust, um nur ein Beispiel zu nennen, hatte lange nicht an den eigenen Erfolg geglaubt, dann sah er sich und seine CDU 2001 plötzlich in einem Bündnis mit der irrlichternden Schill-Partei und der unberechenbaren FDP - regierungsunerfahren alle drei und auf Profilierung erpicht. Hier waren Improvisation und Konfliktschlichtung von Beginn an Bürgermeistertugenden.

Anders Scholz: Der frühere Bundesarbeitsminister, ohnehin nicht von Selbstzweifeln geplagt, hatte 2011 eine Wahlkampfstrategie, die voll aufging: Wirtschaftsnähe plus soziale Wohltaten wie Kita-Ausbau und Abschaffung der Studiengebühren sowie das Versprechen des "ordentlichen Regierens" in Abgrenzung zu den Chaos-Szenen, die das Rathaus vorher bisweilen beherrscht hatten.

Und Scholz hat wegen des beeindruckenden Wahlerfolgs auch nur seine zahme SPD an der Seite und keinen Koalitionspartner, auf den er Rücksicht nehmen müsste. Mit anderen Worten: Das SPD-Wahlprogramm konnte eins zu eins ins Regierungsprogramm umgesetzt werden.

Zu beobachten war in den zurückliegenden 16 Monaten der seltene Fall eines Bürgermeisters, der das Spiel ohne große Einwirkung des Gegners dominieren konnte. Dazu passt, dass Scholz sich gern mit dem Satz zitieren ließ und lässt: "Wer Führung bei mir bestellt, bekommt sie." Der war zwar eigentlich auf die damals noch zerstrittene und verzagte Hamburger SPD gemünzt, ließ sich aber gut auf den neuen Job übertragen und zur eigenen Imagebildung verwenden.

Dass sich der Zauber des unbedrängten Anfangs irgendwann legen würde, war klar. Und Scholz wusste das selbstverständlich. Jetzt ist es so weit. Es geht um die Themen, zu deren Lösung nichts im Regierungsprogramm der SPD steht. Plötzlich ist Leadership im besten Sinne dringend gefragt. Es sind die Mühlsteine der Landespolitik, die sich auf der Senatsagenda ganz nach oben gedrängt haben: die Frustbaustelle Elbphilharmonie, die kriselnde HSH Nordbank und der Dauerbrenner Elbvertiefung. Die Liste ließe sich noch verlängern.

Seit einem Jahr ruht die Arbeit an dem spektakulären Bau am Hafenrand. Scholz hat markig Ultimaten verkündet - und verstreichen lassen. Viel Zeit bleibt ihm nicht, um zu beweisen, dass er wirklich Chef im Ring ist und nicht der gewiefte Konzern. Um nicht missverstanden zu werden: Am Ende muss nicht zwingend die Trennung von Hochtief stehen. Es muss nur endlich weitergebaut werden - mit oder ohne den Bauriesen.

Merkwürdig unscheinbar ist Scholz' Rolle beim Thema HSH Nordbank. Da hat Aufsichtsratschef Hilmar Kopper praktisch im Alleingang den Vorstandschef Paul Lerbinger abberufen, aber der Hamburger Bürgermeister als Vertreter des Miteigentümers schweigt zu diesem bemerkenswerten Vorgang. Dass Scholz gestern in der Bürgerschaft den Fall Lerbinger nicht mit einem Wort erwähnte, war mangelnde Souveränität oder Zeichen stillen Dissenses. Es war in keinem Fall ein Beleg politischer Führungs- oder Willensstärke.

Bleibt die Elbvertiefung nach dem gerichtlich verhängten Baustopp: Scholz lässt keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, die Sache ohne Abstriche durchzuziehen. Doch gerade hier stellt sich die Frage, ob das Prinzip "Alles oder nichts" politisch klug ist. Letztlich muss die Abwägung entscheiden, was Stadt und Hafen mehr nützt: ein langer juristischer Streit mit ungewissem Ausgang oder ein Kompromiss mit den Gegnern der Elbvertiefung, der dazu führt, dass mehr Riesenschiffe Hamburg anlaufen können. Jedenfalls ausloten sollte Scholz die Chancen eines solchen Weges. Politische Führung schließt nicht aus, die eigene Position zu überdenken.