Bei der Vereinheitlichung des Abiturs hat sich die KMK bewegt - mehr als es scheint.

Wer sich das zentrale Ergebnis der Kultusministerkonferenz in Hamburg anschaut, der kann es sich einfach machen: Die einheitlichen Bildungsstandards für die Abitur-Prüfungen in den Kernfächern, auf die sich die 16 Minister und Senatoren nach fünf langen Jahren verständigt haben, scheinen nicht mehr als Kompromiss eines Kompromisses zu sein, der schon auf einem Kompromiss basierte. Kleinster gemeinsamer Nenner eben.

Einheitliche Bildungsstandards sind nun einmal kein Zentralabitur, das sich viele wünschen, damit zum Beispiel Hamburger Abiturienten endlich nicht mehr mit gesenktem Kopf durchs Land gehen müssen, weil bei ihnen alles angeblich so leicht war. Und der gemeinsame Pool gleich schwerer Prüfungsaufgaben mit exakten Definitionen für die Benotung, auf den sich die Kultuspolitiker verständigt haben, ist auch nicht mehr als ein freundliches Angebot an die Länder, das die nutzen können oder eben nicht. Ändert sich nie etwas?

Wer so denkt, verkennt die Tragweite der KMK-Beschlüsse. Manchmal ist der erste Schritt der entscheidende. Dass sich zum Beispiel Berlin und Bremen mit ihrer "linken" Bildungstradition und konservativ ausgerichtete Länder wie Bayern und Hessen kleinteilig darauf verständigt haben, was ihre Schüler in der Oberstufe lernen sollen und was am Ende prüfungsrelevant für das Abitur ist, muss, in den behäbigen KMK-Kategorien gemessen, schon als beinahe revolutionär gelten.

Der Charme der Bildungsstandards liegt darin, dass sie einen subtilen Druck auf eine Angleichung der tatsächlichen, derzeit noch beträchtlich unterschiedlichen Leistungsniveaus hin entfalten. Aber: Ohne den politischen Willen in jedem einzelnen Land geht es nicht. Erst einmal sind die Vorgaben eine kaum überschaubare Menge beschriebener Seiten und als solche sehr geduldig. Es liegt an Eltern, aber auch an Pädagogen und Bildungsforschern, die Politiker (und sich selbst) daran zu erinnern, die Standards ernst zu nehmen.

Sicher: Die Beschreibung der Kompetenzen, die die Schüler bis zum Abitur erwerben sollen, ist bisweilen sehr abstrakt und klingt manchmal sogar etwas trivial. Vielleicht wäre die Festlegung der Standards noch überzeugender gewesen, wenn im Fach Deutsch zum Beispiel statt der allgemeinen Vorgabe, "literarische Texte von der Aufklärung bis zur Gegenwart" erschließen zu können, konkrete Lektürevorschläge gemacht würden. Aber das kann ja noch kommen. Noch schrecken viele Bildungspolitiker vor einem festen Kanon literarischer Werke zurück.

Die ersten modellhaften Prüfungsaufgaben zeigen aber, dass die Sorge, die gemeinsamen Standards würden sich am unteren Leistungsniveau orientieren, das Abitur würde insgesamt leichter, unbegründet sind. Die Idee eines Aufgabenpools für die Abitur-Prüfungen ist klug, weil die Einführung eines echten Zentralabiturs - alle schreiben an einem Tag und bekommen dieselbe Aufgabe - schon an den ausgetüftelten Ferienordnungen scheitert, die unterschiedliche Prüfungstermine nach sich ziehen.

Jetzt die sofortige Einführung eines Zentralabiturs zu fordern, geht aber auch an der Realität der 16 deutschen Schulsysteme vorbei, die es nun einmal gibt. Es ist also auch inhaltlich der falsche Weg. Wie groß die Diskrepanzen etwa zwischen Hamburg und Bayern sind, hat doch gerade die aktuelle Ländervergleichsstudie zu den Leistungen der Grundschüler gezeigt. Die Viertklässler (!) in München, Nürnberg oder Augsburg sind in ihrem Leistungsstand den Hamburgern im Schnitt um ein Jahr voraus.

Die starre Norm eines sofortigen Zentralabiturs hieße, das Pferd vom falschen Ende her aufzuzäumen. Ohne eine Phase des Übergangs wird die Angleichung des Leistungsniveaus nicht möglich sein.