Franco Cuneo und seine Familie sagen über ihre Leiden und Ängste aus. Der bekannte Gastronom wurde überfallen und erpresst.

Neustadt. Es ist nur die Fassade. Der Anschein, dass alles nach wie vor intakt ist. Ein äußerlich weitgehend gefasster Mann, der mit fester, aber auch sanfter Stimme spricht. Doch die Hände beben, und in ihm tobt und rumort es. Das Leben des Franco Cuneo, des prominenten Gastwirts vom Kiez, ist dramatisch aus den Fugen geraten, seit er und seine Familie in die Fänge brutaler Verbrecher gerieten. Es ist ein Dasein, in dem bedrohliche Schatten lauern und Ängste ihn bis heute in der Umklammerung halten. "Ich bin 50 Jahre im Betrieb, das ist sozusagen mein Leben", sagt der 69-Jährige. "Doch das Verbrechen hatte mich so aus meinem Leben rausgeschmissen, dass ich ans Aufgeben dachte. Alles erschien mir sinnlos und voller Gefahren, voller Angst und Panik."

Es war die Nacht auf den 29. März dieses Jahres, als der Mann, in dessen mehr als 100-jährigem Traditionslokal schon Ex-Kanzler Gerhard Schröder und Bond-Darsteller Pierce Brosnan speisten, zum Opfer wurde und jetzt im Prozess vor dem Landgericht über die damaligen Geschehnisse als Zeuge aussagt. Damals hatten Täter den Gastwirt vor seinem Wohnhaus überfallen, ihn und seine Frau gefesselt und bedroht und von ihnen Bargeld und Schmuck erpresst. Später erhielt die Familie Briefe, in denen sie zur Zahlung von weiteren 22 500 Euro aufgefordert wurde. Tochter Franca Cuneo ging auf Anraten der Polizei zum Schein auf die Forderung ein; bei der geplanten Geldübergabe wurden zwei Verdächtige gefasst. Dem Angeklagten Berkant D., 23, wird schwere räuberische Erpressung vorgeworfen, der zwei Jahre ältere Mohammad N. muss sich wegen Beihilfe verantworten.

Es waren zwei maskierte und mit Teleskopschlagstöcken bewaffnete Männer, die Franco Cuneo auflauerten und niederschlugen. Seine Frau Karin sei von dem Lärm wach geworden, erzählt der Gastwirt, sie beide seien mit Kabelbindern gefesselt worden. "Mir wurde noch mit Klebeband der Mund verklebt, ich konnte nicht mehr richtig atmen und bekam Panik." Darauf hätten die Täter das Klebeband wieder gelöst. Die Männer hätten Geld gefordert, mindestens 60 000 Euro. "Sie drohten, mir einen Finger abzuschneiden, wenn ich nicht verrate, wo der Tresor ist", erinnert sich Franco Cuneo. "Aber es gibt keinen Tresor. Sie drohten, ihr Chef sei ein mächtiger und einflussreicher Albaner. Ich habe das ganz stark als bedrohliche Situation empfunden. Wir waren den Tätern völlig ausgeliefert, die Lage schien ausweglos." Schließlich hätten die Männer etwa 3000 Euro Bargeld und den Schmuck seiner Frau genommen, ihr aber auf ihre Bitte hin ein Medaillon mit für sie sehr wichtigen Erinnerungsfotos gelassen.

Um die Männer aus dem Haus zu bekommen, habe er dann angeboten, in den kommenden Tagen 20 000 Euro zu beschaffen. "Sie drohten: Wenn ihr zur Polizei geht, erfahren wir das sofort, wir haben gute Verbindungen", erzählt der 69-Jährige. "Wir wurden massiv in Angst versetzt." Als die Verbrecher plötzlich gegangen seien, "war ich überrascht, zitterte, ich stand unter Schock". Zwei Tage später seien er und seine Frau in einen lange geplanten Urlaub gefahren. Bis heute befinde er sich wegen der traumatischen Erlebnisse in Therapie, sagt Franco Cuneo. Noch viele Wochen nach dem Überfall habe er nicht in seinem Haus wohnen und sich zunächst nur stundenweise überhaupt dort aufhalten können.

Auch seine Frau Karin erzählt als Zeugin, ihr gehe es "ganz schlecht. Man hat immer Angst, alles hat sich geändert." Franco Cuneo selber fällt die Arbeit nicht mehr leicht, er könne nur noch zwei bis drei Stunden am Stück in seinem Lokal sein, sagt er. Und bis heute achte er darauf, ob er verfolgt werde. "Es ist eine furchtbare Zeit, die wir erlebt haben und noch erleben. Schlafen funktioniert bis heute sehr schlecht. Jedes Geräusch erzeugt Bilder, und dann ist da wieder der Mann mit der Maske."

Auch seine Tochter Franca leidet bis heute unter dem Geschehen. Ruhig und differenziert sagt die 31-Jährige aus, doch immer wieder steigen ihr Tränen in die Augen. Die junge Frau war selber bereits im Februar Opfer von Räubern geworden, die ihr vor ihrer Wohnung aufgelauert und ihr die Handtasche entrissen hatten. Schon nach dieser Tat sei sie vorübergehend in ein Hotelzimmer gezogen und habe sich nur noch in Begleitung auf die Straße getraut, schildert sie. Als sie dann Wochen nach dem Überfall auf ihre Eltern in deren Briefkasten Zettel mit den Geldforderungen der Erpresser gefunden habe, "war ich froh, dass meine Eltern aus der Schusslinie waren", sagt die Geschäftsführerin des Restaurants Cuneo. Die Erpresser hätten gedroht, sie müssten zahlen, ",wenn wir diesen Sturm beenden wollen', so war es formuliert".

Bei den telefonischen Verhandlungen mit dem Verbrecher über die vermeintliche Geldübergabe habe der wieder den Eltern gedroht. Als der Hauptangeklagte Berkant D. schließlich das Wort an sie richtet, erstarrt Franca Cuneo für einen Augenblick. "Ich möchte mich persönlich dafür entschuldigen, was ich Ihnen angetan habe", sagt der 23-Jährige, der bereits am ersten Verhandlungstag gestanden hatte, die Erpresseranrufe getätigt zu haben. "Die Entschuldigung nehme ich an, aber das ändert nichts an der Situation", antwortet Franca Cuneo. Auch sie habe nach der Attacke gegen ihre Eltern ihr Leben noch weiter verändert. "Ich habe einige Monate nicht mehr in meiner Wohnung gelebt. Man fühlt sich nicht mehr sicher. Jetzt ist alles ein Angstkonstrukt, einer hat Angst um den anderen. Das ist der Punkt, der mir nahegeht, wo die Tränen kullern - bis heute", sagt die 31-Jährige und wischt sich über das Gesicht. "Am schlimmsten ist die Sorge um die Eltern."