Der Ausbau ist fraglicher denn je. Experten wie Prof. Ulrich Karpen rechnen mit langwierigen Prozessen - und einem Sieg der Umweltschützer.

Hamburg. 2600 Seiten umfasst die Begründung des Plans, etliche Ordner mit eng beschrieben Seiten, Tabellen und Darstellungen zu Strömung, Salzgehalten oder Schiffstiefgängen. Doch die Richter am Bundesverwaltungsgericht ließen sich von der schieren Quantität des Genehmigungsbeschlusses für die Elbvertiefung nicht beeindrucken. Nachdem sie nun einen vorläufigen Baustopp angeordnet haben, um weiter prüfen zu können, setzten Planer und Hafenwirtschaft jetzt auf eine zeitnahe Entscheidung im Hauptsacheverfahren. "Jetzt kommt es darauf an, dass in der Sache schnell entschieden wird", fordert der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Ex-Wirtschaftsstaatsrat Gunther Bonz. Doch Rechtsexperten wie der renommierte Verwaltungsrechtler Ulrich Karpen machen da wenig Hoffnung. Eine Entscheidung werde es frühestens in drei Jahren geben, sagt Karpen. Wenn überhaupt.

Grafik zur Elbvertiefung (4,6 Mb)

Mit dem Baustopp hatte das Gericht einem Eilantrag der klagenden Umweltverbände stattgegeben. Selbst erste Baggerarbeiten könnten das Ökosystem des Flusses unwiederbringlich schädigen und so vollendete Tatsachen schaffen. So lautet auf eine Kurzformel gebracht die Begründung aus Leipzig.

Mit der Elbvertiefung sollen große Containerschiffe künftig mit einem Meter mehr Tiefgang auf der Elbe fahren können und so die Wettbewerbsposition Hamburgs stärken. Bis zu 1000 Container mehr können große Frachter dann transportieren.

Eigentlich sollten die ersten Baggerarbeiten dieses Jahr starten - doch vermutlich erst Ende 2013, so das Gericht, sei das Hauptsacheverfahren abgeschlossen. Verwaltungsrecht-Professor Karpen geht jedoch davon aus, dass es noch deutlich länger dauern wird, bis eine endgültige Entscheidung über die Elbvertiefung gefallen ist. "Ich bin sicher, dass die Sache, wenn überhaupt bis Ende 2013 entschieden worden ist, danach noch zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe geht." Das höchste deutsche Gericht werde dann über die Grundrechtsproblematik in Hinblick auf das Eigentumsschutz- und Umweltrecht zu befinden haben. "Ein Jahr wird es sich mit diesen Fragen sicherlich auseinandersetzen", sagt Karpen. Damit nicht genug: Es sei "sehr wahrscheinlich", dass die Sache - vom Bundesverwaltungsgericht im sogenannten Vorabentscheidungsverfahren - zum Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg verwiesen wird, da die Klage auch im Europarecht verankerte emissions- und naturschutzrechtliche Aspekte berührt. Karpen schätzt, dass alle Rechtsfragen bis Ende 2015 geklärt sein dürften - frühestens.

Das Bundesverwaltungsgericht betont, dass die Anordnung des Baustopps im Eilverfahren kein Präjudiz sei, also einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vorgreife. Auch da ist Karpen anderer Meinung. "Das Bundesverwaltungsgericht hat sich für seine Entscheidung über den Eilantrag verhältnismäßig viel Zeit gelassen. Es hätte ebenso gut vor einem Baustopp Nachbesserungen in Teilgebieten fordern können. Das deutet darauf hin, dass die Bedenken gegen die Elbvertiefung so schwer wiegen, dass am Ende des Hauptsacheverfahrens die Umweltverbände recht bekommen werden." Dass das gesamte Verfahren abseits der politischen Sphäre so lange dauert, führt Karpen auf die Komplexität der Rechtsfragen zurück. "Hier verschränken sich nationales Wasserbauplanungsrecht, Naturschutzrecht, Bundesrecht, Hamburgisches Landesrecht und Europäisches Recht", sagt Karpen. Hinzu komme, dass die Umweltschutzverbände mit vollen Verfahrensrechten ausgestattet seien, während ihre Einwände früher mehr oder weniger nur zur Kenntnis genommen worden seien.

Hafenverbandschef Gunther Bonz fordert daher eine Änderung des Planrechts, das zu komplex geworden sei, um wichtige Infrastrukturprojekte voranzubringen. Rüdiger Nebelsiek, Anwalt der klagenden Umweltverbände, hält dagegen. Solche Forderungen seien "reflexartige Klagen". Planer und Juristen seien hingegen sich längst einig, dass alle Beschleunigungspotenziale ausgereizt seien. Hilfe würde nur mehr Personal in den Behörden und bei den Gerichten bringen. Tatsächlich fällt die Elbvertiefung bereits unter das Beschleunigungsgesetz von 2006. Klagen werden gleich in Leipzig verhandelt - anders als bei der umstrittenen Airbuswerkserweiterung, um die in mehren Instanzen gestritten wurde. Allerdings brauchten die Behörden seinerzeit nur von 1998 bis 2000 für einen letztlich erfolgreichen Planfeststellungsbeschluss.

Bei der Elbvertiefung brauchten sie dagegen volle sechs Jahre - und hatten bisher dennoch keinen Erfolg. Im Gegenteil.