Das erste Duell zeigt: Mit Peer Steinbrück als Gegenkandidat ist die Kanzlerin angreifbar

Politiker-Duelle werden gemeinhin gern mit einer Arena verglichen, in der vor einem Publikum ein Kampf ausgetragen wird. Ein Kampf zwischen Herausforderer und Amtsinhaber, in dem sich zeigt, wer die besseren Waffen und damit die besseren Argumente hat. Es geht in diesen Arenen aber auch um großes Theater, Inszenierung und Dramaturgie: Wer wirkt durch Auftreten, Rhetorik und Körpersprache am überzeugendsten und am vertrauenswürdigsten?

Das Niveau von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück ist schon ein Jahr vor der Bundestagswahl extrem hoch. Beide haben ihre Rolle bereits gefunden, die sie in den nächsten Monaten einnehmen werden, das konnte man gestern im Bundestag sehen. Und beide pflegen dabei einen ähnlichen Stil: mehr Brüssel als Bierzelt. Mehr Sachpolitik als Show. Das mag auf den ersten Blick langweilig klingen und dem Duell-Prinzip zuwiderlaufen. Es könnte aber gerade auch deshalb zu einem der spannendsten Wahlkämpfe werden, den die Bürger seit Langem erlebt haben.

Angela Merkel ist angesichts ihres nun feststehenden Gegners von alter Routine abgewichen. Ihre Regierungserklärung zur Euro-Rettung enthielt deutlich weniger der sonst oft so ähnlichen Satzbausteine und etwas mehr Leidenschaft als gewohnt. Mit dem Vorschlag eines Fonds für Reformprojekte in Krisenländern hatte sie sogar eine neue Idee parat. Steinbrück wiederum präsentierte sich unaufgeregt. Obwohl er ein guter Rhetoriker mit Talent zum Holzen ist, hat er davon weitestgehend abgesehen, die Lautstärke heruntergefahren. Auch wenn er nicht an Kritik sparte, war es vor allem die ruhige, sachorientierte Attitüde eines Olaf Scholz, mit der der frisch gekürte SPD-Kandidat gestern ans Rednerpult trat.

Es ist ein Versuch, Merkel mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Steinbrück übernimmt ein Stück weit die Strategie der Kanzlerin, sich mit einer Inszenierung der Nichtinszenierung der Problemlösung zu widmen, statt sich in die Niederungen von Partei- und Wahlkampf zu begeben. Anders gesagt: Steinbrück macht auf Kanzler. Für aggressive Attacken sind jetzt andere da.

So ähnlich die Kandidaten jetzt also in ihrem Stil sind, so sehr kommt es in den nächsten Monaten auf die Unterschiede bei den Inhalten an. Und hier ist Merkel noch klar im Vorteil. Als Kanzlerin ist sie qua Amt permanent auf Sendung und kann als stärkstes Argument ihre bisherige Bilanz vorweisen: Sie hat den krisengeschüttelten Kontinent bislang unfallfrei durch die Krise manövriert. Vergangene Woche wurde die EU sogar mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Merkels Ansehen im Ausland als "Miss Europa" ist zudem hoch - und auch in Deutschland liegt sie in den Umfragen vorn.

Trotzdem hat Steinbrück seine Chance erkannt. Zwar will vieles, was Merkel will, auch die SPD - allerdings hat er mit seiner wiederholten Forderung nach einem "sozialen Europa" einen Punkt betont, den die Kanzlerin weitestgehend außen vor lässt. Das SPD-Kernthema der sozialen Gerechtigkeit auf ganz Europa auszudehnen könnte so zum Gegenentwurf zum merkelschen Programm werden, die die Stärken Europas in ihrer Rede per Alliteration mit "Technologie, Talente und Toleranz" umrissen hat.

Um ihren Vorsprung einzuholen reicht es noch nicht; aber mit Steinbrück ist die Kanzlerin in Stil und Inhalt angreifbar geworden. Sollte noch ein Sozialdemokrat unsicher darüber sein, ob Steinbrück der richtige Kandidat ist, dürfte er spätestens seit diesem Tag überzeugt sein. Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wären als rhetorische Schwergewichte sicherlich besser darin gewesen, Merkel nach Strich und Faden zu beschimpfen - Steinbrück erreicht aber bei dem Thema Augenhöhe, bei dem es am wichtigsten ist: Europa.

Die Arena ist also eröffnet, das Duell damit auch. Auch wenn das große Schauspiel ausbleibt - langweilig werden dürfte es nicht.