Jungen Prostituierten soll jetzt verstärkt beim Ausstieg aus der Szene geholfen werden. Harte Drogen seien nicht mehr das Hauptproblem der Frauen.

St. Georg. Die 19-jährige Janina (Name geändert) arbeitet seit knapp drei Jahren als Prostituierte in St. Georg. Ihr Schicksal gilt als typisch: Sie wurde als Kind missbraucht, wuchs in verschiedenen Pflegeeinrichtungen auf. Die Schule hat sie nach der siebten Klasse hingeschmissen. Seitdem hängt sie in der Szene am Hamburger Hauptbahnhof ab.

Janina hat keine Wohnung und übernachtet im Wechsel bei Freunden, Bekannten und ihrer Großmutter. Ihre zweijährige Tochter ist bei einer Pflegefamilie untergebracht. Für jedes Treffen mit einem Freier - in einem der Stundenhotels - kassiert Janina 50 Euro. Meist schafft sie zwei Freier am Tag. Das reicht gerade zum Leben - aber nicht, um ihre Handyschulden zu bezahlen oder die Bußgelder wegen Prostitution im Sperrbezirk. Einmal musste sie schon eine Geldstrafe wegen Schwarzfahrens absitzen. Janina ist nicht glücklich über ihr Leben, hat aber kaum eine Alternative, wie sie sagt. Sie betäubt sich mit Alkohol und Cannabis, mit Ecstasy und Kokain und vielen Kopfschmerztabletten. Ihr größter Wunsch: eine eigene kleine Wohnung und ein normales Leben.

"Janina ist eine klassische Kandidatin für unser neues Wohnungsprojekt", sagt Beatrice Hennig, Leiterin der Hilfseinrichtung Sperrgebiet. Bislang eine Aufenthalts- und Übernachtungsstätte für junge Prostituierte, musste die Institution aus St. Georg nach beträchtlichen Kürzungen in der Jugendhilfe in kleinere Räume an der Lindenstraße ziehen und sich neu aufstellen. Das neue Konzept geht zunächst als dreijähriger Modellversuch an den Start: Statt Frühstück, einer warmen Mahlzeit oder einem Dach über dem Kopf sollen Mädchen wie Janina jetzt verstärkt Unterstützung beim Aussteigen aus der Szene bekommen. "Wir stellen ihnen für zwei Jahre jeweils eine kleine Wohnung zur Verfügung", so Beatrice Hennig, die momentan auf der Suche nach Einzimmerapartments ist.

"In dieser Zeit erarbeiten wir mit den Frauen Perspektiven für ihren weiteren Lebensweg." Rechtzeitiges Aufstehen und das Einfügen in eine Gruppe müssten die Frauen erst einmal lernen. Das Wohnprojekt ist nur einer von insgesamt drei neuen Ansätzen, mit denen Sperrgebietsleiterin Hennig und ihre sieben Mitarbeiterinnen versuchen, die Folgen der Kürzungen abzuschwächen. Da die Beratungseinrichtung des Diakonie-Hilfswerks nur noch montags bis donnerstags für drei bis fünf Stunden geöffnet ist, setzt das Team verstärkt auf Straßensozialarbeit und Prävention. Doch die Arbeit hat sich nicht nur durch Umzug und Neuausrichtung verändert, sondern auch durch die Mädchen selbst.

"Es gibt kaum noch Beschaffungsprostitution", sagt Beatrice Hennig. Harte Drogen wie Heroin und Crack gehören der Vergangenheit an. Die jungen Frauen konsumieren eher weiche Drogen wie Schnaps und Gras. "Der Konsum ist zwar noch ein Problem", so die Expertin, "aber nicht mehr das Hauptproblem."

Um den Mädchen zumindest eine ärztliche Grundversorgung bieten zu können, steht ihnen im Sperrgebiet zweimal in der Woche auch eine Ärztin zur Verfügung - auf Honorarbasis, denn wie Janina haben die wenigsten jungen Frauen eine Krankenversicherung.

Einrichtung und Träger hoffen nun, dass das mit der Sozialbehörde abgestimmte Modellprojekt auch über die dreijährige Laufzeit hinaus weiter bestehen bleibt. "Wir haben sowohl auf die Kürzung der finanziellen Mittel reagiert als auch auf den veränderten Bedarf der Mädchen", sagt Angela Bähr, Fachbereichsleiterin im Diakonie-Hilfswerk.