Ein Kommentar von Peter Wenig

Eines muss man der deutschen Fußball-Nationalmannschaft immerhin lassen: Für ein Wechselbad der Gefühle kann sie sorgen. Gegen Schweden brachte das Löw-Team gestern Abend das Kunststück fertig, einen 4:0-Vorsprung zu verspielen. Binnen 30 Minuten drehten zuvor harmlose Schweden noch das Spiel, schafften den Ausgleich zum 4:4.

Welche Lehren sind aus diesem unbegreiflichen Auftritt zu ziehen? Vor allem zwei: Zum einen verfügt diese deutsche Mannschaft über ein derart großes Potenzial, um sich in einen Rausch zu spielen. Mit einem Kombinationsfußball, der an die Glanzzeiten der spielerisch wohl besten deutschen Mannschaft Anfang der 1970er-Jahre erinnert.

Zum anderen aber leistet sich dieses Team in schöner Regelmäßigkeit in der Defensive Unkonzentriertheiten, die selbst gegen ein fußballerisches Mittelgewicht wie Schweden zu vier Gegentoren führten. Womöglich hat das EM-Aus gegen Italien mit der nachfolgenden harschen Kritik die deutsche Elf auch ein Stück traumatisiert. Schon beim glücklichen 2:1-Sieg in Wien gegen Österreich hatte sich das Löw-Team mehrere Blackouts geleistet. Gestern ließ sich selbst Torwart Manuel Neuer, eigentlich stresserprobt in Diensten des FC Bayern München, von der allgemeinen Verunsicherung anstecken. Und weder Philipp Lahm noch Bastian Schweinsteiger, die zusammen 191 Länderspiele bestritten haben, waren gestern Abend in der Lage, das Chaos zu ordnen. Ohne Führung taumelte das Team dann in eine Blamage.

Dennoch ist die deutsche Bilanz der WM-Qualifikation mit zehn Punkten aus vier Spielen durchaus akzeptabel. Aber spätestens am Zuckerhut in Rio, wenn es wieder gegen die großen Nationen geht, muss Löw seinen Mannen den Hang zu fatalen Nachlässigkeiten ausgetrieben haben. Sonst dürfte der Rausch weit vor dem Halbfinale verflogen sein.