In der katholischen Gemeinde St. Bonifatius erheben Musiker des Orchesters Vorwürfe. Pfarrer Johannes Paul hält diese für “unerhört“.

Eimsbüttel. Der Streit entzündete sich an Plakaten. 600 Flyer hatte das Orchester der katholischen Gemeinde St. Bonifatius für das Weihnachtskonzert 2011 drucken lassen. Unter dem Titel "Märchenhafte Klänge" wurden Stücke von Händel und Dvorak angekündigt. Doch Pfarrer Johannes Paul habe die Worte 'Märchenhafte Klänge' von allen Zetteln schneiden lassen. "Eigenmächtig, ohne Erklärung", behauptet Orchestermitglied Nils Gerke.

Auf Gerkes Nachfrage rechtfertigte Pfarrer Johannes Paul die Maßnahme schriftlich. Die Bibel sei kein Märchenbuch, der Vergleich mit der Heiligen Schrift unpassend. Abschließend schrieb der Pfarrer: "Lassen Sie es gut sein!" Doch Nils Gerke, selbst Pastor, wollte es nicht gut sein lassen. Er wollte diskutieren. Über die Interpretation des Pfarrers. Vergebens, wie er sagt.

Nun, fast ein Jahr später, sei das Orchester der Gemeinde St. Bonifatius vor die Tür gesetzt worden. Laut Orchesterleiter Matthias Bensch "mit System". Denn sowohl vor als auch nach dem "Flyer-Vorfall" habe sich das Ensemble schikaniert gefühlt, sagt Bensch, der in der Kirche Orgel spielt und den Kinderchor leitet. Terminabsprachen seien nicht eingehalten, Orchesterproben behindert worden. Ein lange vorbereiteter Auftritt des Kinderchors sei kurzfristig abgesagt worden. Auch Auftritte in der Messe seien gescheitert, Räume bei Proben plötzlich verschlossen gewesen.

"In der Summe lässt uns das nicht mehr an Zufall glauben", sagt Matthias Bensch. Nun folge der Rausschmiss. Offiziell wegen Baumaßnahmen im Kirchenumfeld. Der Leiter des 20-köpfigen Laienorchesters glaubt, Pfarrer Paul wolle das Ensemble loswerden. "Er redet nicht mit uns. Er lässt nur schriftlich ausrichten."

Das will nicht zu dem in Eimsbüttel sehr beliebten Priester passen. Pfarrer Johannes Peter Paul leitet seit 15 Jahren sehr erfolgreich die Geschicke der 7500 Mitglieder zählenden Gemeinde Am Weiher. Die idyllisch gelegene Kirche und auch der Pfarrer genießen einen hervorragenden Ruf. Die Heiligen Messen am Sonntag sind stets sehr gut besucht. Paul, ein hochgewachsener Mann, gilt als sehr progressiver Katholik, als Kinderfreund, als jemand, der in Gottesdiensten Jung und Alt begeistern kann, der die Kirche auch als Bühne versteht und auf dieser Bühne blendend kommuniziert.

Andererseits sprechen Menschen wie Christoph Busch, Elternratsvorsitzender der St.-Bonifatius-Kita, von einem Kommunikationsproblem des Pfarrers außerhalb dieses Rahmens. Mit Widerspruch gehe Paul "wenig souverän" um. Er verweigere sich, setze sich nicht auseinander. "Vielleicht hilft es, wenn diese Haltung aufweicht."

Zu den Vorwürfen des Orchesterleiters Bensch sagt Pfarrer Johannes Paul: "Er entzieht sich damit allen Grundlagen, in der Gemeinde weiterzuarbeiten." Seine Organistenstelle und die Leitung des Kinderchors müsse er abgeben, sollte die Auseinandersetzung öffentlich werden. "Er sägt sich den Ast ab, auf dem er sitzt." Paul nennt die Vorwürfe gegen ihn "unerhört". Es gehe allein um Rache. Wofür, das sagt er nicht. Seiner Auffassung nach habe es für die Musiker immer viele Möglichkeiten gegeben, sich in der Gemeinde einzubringen. Aber, und das sei auch immer klar gewesen: "Die Musik ordnet sich der Liturgie unter." Darüber hinaus sei er selbst es gewesen, der Matthias Bensch 2009 in der Gemeinde aufgenommen und zur Orchestergründung ermutigt habe.

Die Kündigung des Orchesters, sagt Paul, sei allein den Baumaßnahmen im Pfarr- und Gemeindehaus geschuldet. Die katholische Kita, die sowohl Orchester als auch Kinderchor finanziert, werde abgerissen und neu errichtet. Die Kinder müssten umziehen, innerhalb der Gemeinde stünden deshalb keine Räume für Orchesterproben mehr zur Verfügung. "Von einem Rausschmiss kann also keine Rede sein", sagt auch Kita-Leiter Klaus Lohmann. Zwar werde den Musikern die finanzielle Unterstützung entzogen, aber die Musiker seien eben nun nicht mehr im Sinn der Gemeinde tätig. Seit Monaten sei das Orchester informiert.

Orchesterchef Matthias Bensch meint, wo ein Wille gewesen wäre, gäbe es auch einen Weg. Das Orchester probe montags 19.45 Uhr. Kita-Betrieb und Proben würden sich also nicht überschneiden. "Aber wenn Pfarrer Paul schon mit meinem Rauswurf droht und den Kinderchor als Geisel nimmt, zeigt sich, was dahintersteckt." Das Orchester sei dem Pfarrer möglicherweise zu unbequem. Jetzt wolle er es loswerden. "Die Glaubwürdigkeit, die Pfarrer Paul als moralische Instanz einfordert, verliert er, wenn er Menschen so behandelt, wenn er nicht mit ihnen spricht, sie indirekt vor die Tür setzt", sagt Bensch.

Der Elternratsvorsitzende Christoph Busch sagt, das alles stehe im Gegensatz zu dem, was Paul in Gottesdiensten sage: "Was der Pfarrer dort an Gemeinschaft predigt, sollte er auch persönlich einhalten." Denn auch als Pfarrer müsse man sich Konflikten in der Gemeinde stellen, ob beim Kita-Neubau oder beim Orchester.

Die Orchestermitglieder wandten sich an Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Der riet zum klärenden Gespräch. In Kenntnis der internen Auseinandersetzungen wollte sich Jaschke auf Anfrage jedoch nicht äußern.

Pfarrer Johannes Paul sagt, die Anschuldigungen machten ihn sprachlos. Alle Gruppen der Kirche hätten die Nachricht vom Umbau erhalten. Und er wolle nun keine Kraft mehr für einen Streit verschwenden.