Gegen übermäßigen Alkoholkonsum helfen Kampagnen mehr als Verbote

Gerade gestern hat ein Dortmunder Fußball-Nationalspieler verlauten lassen, dass er bei einem erneuten Titelgewinn im nächsten Jahr eine ausgiebige Kneipentour plant. Und eine große Tageszeitung ist den Weg schon mal abgefahren. 27 Kneipen auf 11,8 Kilometern ergaben die Recherchen. In jeder will der Kicker mindestens ein Bier trinken - und ab und zu einen Schnaps. Na, dann Prost!

Tags zuvor war ein 20-jähriger Berliner gestorben. Mehrere Jugendliche, die nachts aus einer Bar kamen, hatten ihn am Alexanderplatz buchstäblich totgetreten.

Wenn eine Langzeitstudie von Greifswalder und Lübecker Wissenschaftlern jetzt zu dem Ergebnis kommt, dass die Deutschen zu viel Alkohol trinken und Alkoholabhängige eine um 20 Jahre geringere Lebenserwartung haben, geht es genau darum: Wie geht eine Gesellschaft mit einer legalen Droge um?

Ein oder zwei Gläser Wein zum guten Essen sind doch kein Grund zur Beunruhigung, Bier und Fußball gehören seit jeher wie selbstverständlich zusammen - aber wehe, die Sache läuft aus dem Ruder: 2010 wurde fast jedes dritte Gewaltverbrechen unter Alkoholeinfluss verübt. Werner Platz, Berliner Gerichtspsychiater, sagt: "Die Taten, die unter Alkoholeinfluss begangen werden, überwiegen ganz eindeutig. Denn auch Alkohol beeinflusst die Hemmschwelle zur Gewalt und setzt sie bei vielen herab."

Helfen Verbote in einem Land, in dem nur drei Prozent der Erwachsenen lebenslang auf Alkohol verzichten? In dem laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung fast zehn Millionen Deutsche ein ernstes Alkoholproblem haben und 1,3 Millionen abhängig sind? In dem jeder Bewohner im Schnitt knapp zehn Liter reinen Alkohol pro Jahr verzehrt, was täglich einem Viertelliter Wein entspricht und womit die Deutschen international auf Rang 23 liegen?

Ja, sagt der Hamburger Verkehrsverbund, der vor einem Jahr Alkohol in Bus und Bahn verboten hat. Die Folgen, neben dem geringeren Alkoholkonsum, sind sauberere Züge und zufriedenere Kunden. 85 Prozent wollen das Verbot beibehalten.

Nein, sagt Sigmund Freud. 1927 schrieb der Psychologe über Amerika: "Dort will man jetzt den Menschen ... alle Reiz-, Rausch- und Genussmittel entziehen ... auf den Ausgang dieses Experiments braucht man nicht neugierig zu sein." Die Prohibition, 1919 eingeführt, senkte den Alkoholkonsum - und ließ die Kriminalität wachsen. Sie war Grundlage für die Ausbreitung des organisierten Verbrechens und spülte legendäre Gangster wie Al Capone nach oben, die durch Alkoholschmuggel zu Macht und Reichtum gelangten. 1933 wurde die Prohibition wieder abgeschafft.

Mehr als Verbote hilft Aufklärung. Und da passiert in Deutschland eine ganze Menge. "Wo früher meine Leber war, ist heute eine Minibar" - dieser Spruch der 16-jährigen Sabina Baumbach aus Hamburg für die Plakataktion "Kunst gegen Komasaufen" erschien der Jury preiswürdig, weil er "Gleichaltrige auf Augenhöhe anspreche". Es geht um das Bewusstsein für das, was man tut. Bei Jugendlichen in Deutschland ist der regelmäßige Alkoholkonsum ohnehin gesunken. War es 2007 die Hälfte aller 16- und 17-Jährigen, die mindestens einmal im Monat mehr als fünf alkoholische Getränke trank, sank die Zahl bis 2011 auf knapp 34 Prozent.

Spaßkampagnen mit jungen Leuten sind allemal zielführender, um über die gesundheitlichen Folgen übermäßigen Alkoholkonsums aufzuklären, als platte Verbote. Denn es ist das Wesen der Droge, sich der Kontrolle zu entziehen.