Hamburg, Deine Berge - Folge 11: Baurs Berg - Hamburgs höchster Hügel nördlich der Elbe.

Blankenese. Doch, auch in Hamburg gibt es Berge. Abendblatt-Autor Josef Nyary stellt sie in loser Folge in der neuen Serie "Hamburg, Deine Berge" vor. Sie wurden aufgetürmt von Eiszeitgletschern - oder auch mal nur von der Müllabfuhr. Was sie gemeinsam haben? Sie sind alle einen Spaziergang, einen Ausflug oder sogar eine Wanderung wert.

Der Hafen ist abgeriegelt, der Verkehr stillgelegt. Fasswagen teilen abgekochtes Wasser aus, die Polizei richtet in Tanzsälen und Turnhallen Desinfektionsstellen ein. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof schaufeln 125 Arbeiter Tag und Nacht an immer neuen Massengräbern. Die Cholera-Epidemie vom Sommer 1892 kostet 8605 Menschen das Leben, die meisten in den maßlos übervölkerten Elendsvierteln der Innenstadt.

Auch im nahen Altona herrscht Angst, doch ein Blick auf die höchste Erhebung der kurz zuvor noch dänischen Stadt verschafft den besorgten Bürgern eine gewisse Beruhigung. Denn auf Baurs Berg arbeitet schon seit 1859 Deutschlands modernstes Wasserwerk. Die tödlichen Keime werden in Absetzbecken mit Sand aus dem Elbwasser gefiltert - und Altona bleibt von der Seuche verschont.

Das Wasserwerk auf dem Geest-Gipfel über der Elbe arbeitet bis heute, es zählt zu den technisch fortschrittlichsten der Welt. Damals waren die von dem englischen Ingenieur James Wilson errichteten "Altona Waterworks York & Co." weit und breit die erste "Wasserkunst" mit Sandfiltration. Heute killt purer Sauerstoff die Keime.

Elf Brunnen fördern pro Jahr bis zu 5,6 Millionen Kubikmeter Grundwasser aus bis zu 320 Meter Tiefe. Sechs Schnellfilter machen Reinwasser daraus. Aus fünf Pumpen fließen täglich 12 000 Kubikmeter ins Leitungsnetz bis nach Eppendorf, wegen des Gefälles auch bei Stromausfall.

Der 92 Meter hohe Hügel ist Hamburgs höchster Berg nördlich der Elbe und wird nur vom 116 Meter hohen Hasselbrack überboten. Doch die Nummer eins liegt unspektakulär und aussichtslos mitten im Wald der Harburger Berge. Der 22 Meter und 150 Stufen hohe Turm des Wasserwerks dagegen ragt wie der Bergfried einer wilhelminischen Paradeburg über Blankenese empor, und der Blick geht von hier weit ins Alte Land.

Der Namensgeber, Kaufmann und Bürgermeistersohn Georg Friedrich Baur (1768-1865), macht den vom Großvater gegründeten Geld- und Warenhandel der Familie als Investmentbanker groß und kauft am Elbhang Grundstücke im großen Stil. Aus einigen tiefer gelegenen wird bis 1832 Baurs Park mit Tempel, Waldhütten, einem chinesischen Pagodenturm und einem Kanonenberg, dessen Geschütz einlaufende Schiffe das Handelsmanns mit Böllerschüssen begrüßt.

Im Landhaus empfängt Baur 1840 das dänische Königspaar. Baurs Berg aber bleibt Wildnis. Heute bewahrt der Hügel viel ursprüngliche Natur in einem Wasserschutzgebiet, das Rissen und Sülldorf einschließt. Im Norden grasen Pferde die Weiden der Feldmark ab, im Süden wohnen Siedler meist in Einfamilienhäusern, dazwischen rollen Autos und die S-Bahn nach Wedel.

Auf dem Berg ist davon wenig zu hören. Laub- und Nadelbäume rauschen im Wind, Gärtner haben Taxussträucher und Stieleichen in den Park gepflanzt. Die alten Filterbecken wandelten sich zum Schilf-Biotop. Langgras umflort die grünen Kästen der Messstation 54BL Notenbarg. Weiß blühen Schafgarbe, Pferdekümmel oder Wiesenkerbel. Greifvögel nutzen den Gipfelblick. Kiebitz, Braunkehlchen, Sumpfrohrsänger und Bekassine nisten und brüten ungestört. Hohe Zäune hegen die flache Kuppe ein. Vor Besuchern rollt ein schweres Eisentor zur Seite.

In der Schaltzentrale steuern Computer alle technischen Prozesse. Elbwasser kommt seit 1964 nicht mehr in die Röhre. Früher wurde es aus zwei Becken am Falkensteiner Ufer gepumpt. Jetzt sind sie mit Abwasserabgaben der Airbus-Werke auf Finkenwerder zum Biotop für Hamburgs bedeutendste Kröten-Population renaturiert. Seit Tschernobyl wird Wasser auf dem Baurs Berg nur noch unterirdisch gespeichert. In Altona weiß man Vorsicht zu schätzen.