Hamburger Unternehmen C. Woermann betreibt seit 175 Jahren Geschäfte mit Partnern auf dem Kontinent. “Made in Germany“ ist gefragt.

Hamburg. Wer in der Hamburger Altstadt zwischen Fleeten und alten Kaufmannshäusern auf Entdeckungsreise geht, wird irgendwann auf einen halb nackten Herrn im Lendenschurz treffen. Die überlebensgroße Bronzefigur eines afrikanischen Kriegers bewacht ein eisernes Tor, welches mit goldenen Palmwedeln geschmückt ist. Dahinter eröffnet sich ein schmucker Innenhof mit zwei riesigen gusseisernen Elefanten. Der ungewöhnliche Hauseingang ist weniger das Werk eines exaltierten Baumeisters, als vielmehr der Sitz des wohl ältesten deutschen Afrikahandels. Der Architekt, Martin Haller, hatte wenige Jahre zuvor übrigens auch das Hamburger Rathaus gestaltet.

Die Firma C. Woermann betreibt von hier aus seit nunmehr 175 Jahren ihre Geschäfte mit dem Schwarzen Kontinent. Wo heute der Verkehr der Willy-Brandt-Straße entlangrauscht, glitten einstmals die Schuten über das Fleet. Das Afrikahaus hatte früher einen direkten Wasserzugang und konnte seine Waren direkt auf die Schiffe abladen. "Nach Afrika lieferten wir damals Stoffe, Haushaltswaren, Äxte und Hämmer, von dort bekamen wir Palmöl, Kautschuk oder Fischbein, welches den Reifröcken der Frauen ihren Stand gab", sagt Detlev Woermann, Nachfahre des Gründers Carl Woermann. Der 63-Jährige leitet die Firma inzwischen in fünfter Generation als einer von fünf geschäftsführenden Gesellschaftern, ausnahmslos Mitglieder der Familien Woermann und Kuppe. Gemeinsam mit Co-Gesellschafter Volker Kuppe, 73, hat Woermann für das Interview mit dem Abendblatt im Konferenzraum des Unternehmens Platz genommen, das Ölgemälde eines Woermann-Seglers im Blick, dazu den typischen dunkelblauen Blazer mit Goldknöpfen. Ein hanseatischer Kaufmann wie aus dem Film, der Tradition und Moderne verbindet.

Waren es früher hauptsächlich Eisenwaren, liefert C. Woermann heute vor allem Maschinen für den Bau, die Land- oder Forstwirtschaft. Die wichtigsten Abnehmer sitzen in Nigeria, Angola und Ghana. Diese Länder profitieren von ihren Öl- und Gasvorkommen und bauen daher auch in anderen Branchen industrielle Strukturen auf, welche den Wohlstand der ehemals kleinbäuerlichen Gesellschaft erhöhen. "Hier können wir noch mit der Qualität und dem guten Ruf deutscher Produkte punkten", sagt Woermann. In anderen, ärmeren Ländern des Kontinents hätten asiatische Hersteller dagegen längst die Nase vorn, "bei Autoteilen aus China sind wir praktisch chancenlos", ergänzt Volker Kuppe.

So vertreibt die Hamburger Traditionsfirma heute vornehmlich Sägen von Stihl oder Traktoren von Deutz - und neuerdings auch Geldautomaten von Wincor Nixdorf. "Vor 15 Jahren hätten wir es niemals für möglich gehalten, dass wir Geldautomaten in Nigeria aufbauen", sagt Woermann. Heute dagegen arbeiteten die Geräte in entsprechend klimatisierten und wegen der hohen Kriminalitätsrate stark gesicherten Räumen zuverlässig. "Es hat einen Sinneswandel gegeben", freut sich Woermann, der mit seiner Familie in Blankenese wohnt. "Standen Sie früher in Lagos ständig im Stau oder plötzlich vor einem haushohen Müllberg, sehen Sie heute auf den Straßen Mittelstreifen, deren Rasen wie mit der Nagelschere geschnitten ist."

Die Hamburger profitieren von diesem Aufschwung in vielen Teilen Afrikas, aber auch von ihrer eigenen Tradition. C. Woermann unterhielt in etlichen Ländern schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten deutschen Niederlassungen, palmblattgedeckte Stelzenhäuser am Ogowe-Fluss in Gabun oder einfach ehemalige, abgetakelte Schiffe, aus denen heraus die Ware verkauft wurde. Unter Adolph Woermann, der zweiten Generation, betrieb das Unternehmen nach eigenen Angaben zeitweise auch die damals weltgrößte Privatreederei. Hapag-Chef Albert Ballin bezeichnete ihn in einem Nachruf als "größten, wagemutigsten und opferfreudigsten Privatreeder, den die Hansestädte jemals gesehen haben." Reichskanzler Otto von Bismarck taufte ihn "königlichen Kaufmann", in Ohlsdorf wurde der Woermannsweg nach ihm benannt.

Allerdings gab es auch Kritik: Im Reichstag wurde dem Hamburger der erhebliche "Schnapshandel" mit den Eingeborenen vorgeworfen, es wurden die angeblich überhöhten Rechnungen beim Transport der deutschen Schutztruppen mit ihren Pferden nach Südwestafrika moniert oder ein Raubbau bei der Gewinnung von Kautschuk. Auch wenn die Geschäfte nicht unumstritten waren und sich Adolph Woermann damals verbittert aus der Firma zurückzog - von den langjährigen Beziehungen zu den afrikanischen Kunden profitieren die hanseatischen Kaufleute bis heute.

Und daraus ergibt sich auch so manche heitere Anekdote: Ein Kunde, der kürzlich bei C. Woermann Anlagen zur Herstellung von Bleistiften bestellte, berichtete während eines Abendessens in einem Restaurant in Kumasi dem staunenden Volker Kuppe, wie seine Familie zu großem Wohlstand gelangt ist: Sein Großvater habe bei Woermann einst einen großen Spiegel gekauft, zu jener Zeit soll es der einzige Spiegel im Königreich Ashanti gewesen sein. Vorher hätten sich die Menschen nur im Wasser betrachten können. Und nun standen sie in langen Schlangen vor dem Haus des Großvaters und zahlten ihm Threepence oder Kaurimuscheln, um einen kurzen Blick auf sich selbst zu werfen. Der Spiegel habe sich für den Großvater als wahre Goldgrube erwiesen und das Fundament für das von den nachfolgenden beiden Generationen vermehrte Vermögen gelegt.

So ertragreich sich das Geschäft mit den Woermanns für manchen Afrikaner erwies, so nachhaltig bauten diese ihren Handel aus: Erlöste der Konzern in den 90er-Jahren noch rund 35 Millionen D-Mark (17,9 Millionen Euro), erreicht der Umsatz in der Muttergesellschaft heute mehr als 50 Millionen Euro. Ein Teil des Vermögens fließt auch in die Gedächtnisstiftung Adolph Woermann. "Mit dem Geld fördern wir junge Leute", sagt Woermann, "genauer gesagt junge Afrikaner." Auch in der Relation der Beschäftigtenzahlen spiegelt sich die Bedeutung der Standorte rund um den Äquator nieder: In der Zentrale in Hamburg arbeiten rund 25 Beschäftigte, in Afrika etwa 400 für C. Woermann.