Die Weintrauben an unserem Gartenzaun sind klein, aber üppig. Bald werde ich die blauen Früchte ernten. Der Oktober ist der Monat der Weinernte. Da lese ich mit großer Freude den 104. Psalm. Er besingt Gott, den Schöpfer, der sich alles so gut ausgedacht hat. Ein Erntedanklied, ein Oktobergebet! Es erzählt davon, dass die Früchte der Erde für alle Geschöpfe reichen: Brot ist da, um die Menschen stark zu machen, Olivenöl für Gesundheit und Schönheit und der Wein, dass er der Menschen Herz erfreue. Ja, Gott ist der Liebhaber des Lebens, und er hat für das Nötigste seiner Geschöpfe gesorgt und auch für das Schöne.

Wein ist ein gutes Zeichen für Gottes Lebensstil: Wo es um Wichtiges geht, gehört in der Bibel auch Wein dazu: Wenn das Volk Israel an seine Befreiung (Passahfest) erinnert, werden die Kelche übervoll mit Wein gefüllt, als Zeichen für Gottes überfließende Güte. Bei einer Hochzeitsfeier war der Wein ausgegangen. Jesus half und verwandelte Wasser in köstlichen Rebsaft. So konnte die Feier ungetrübt weitergehen. Und im schweren Moment des Abschieds von seinen Jüngern gab Jesus dem Wein eine ganz besondere Symbolkraft: Er steht für sein Blut, was gleichbedeutend ist mit seiner Seele. Mit dem Trinken des Abendmahlsweins soll also Jesu Seele in den Jüngern und Jüngerinnen weiterleben. Die Liebe und Freundlichkeit Gottes kann durch den Wein mitten unter uns wirksam werden.

Fröhlichkeit und Leichtigkeit gehören in die Mitte der jüdischen und christlichen Spiritualität, und in der Erntedankzeit wird das vielerorts spürbar. Aber wir wissen auch, dass Wein für viele Menschen zum Feind geworden ist: Alkoholmissbrauch ist eines der ganz großen gesellschaftlichen Probleme in Deutschland. In der Sucht gehen Maß und Beziehung verloren, und es offenbart sich oft eine große Leere in der Seele von Menschen, auch eine geistliche Not.

Wie weit wir uns entfernt haben von Gottes Lebensstil! Erntezeit und Oktober sind Anlass für Dank und Freude, aber bisweilen auch Gelegenheit, aufzuschrecken und zur Besinnung zu kommen.

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