Die niederländische Firma NXP entwickelt in Hamburg den weltweit kleinsten Chip für Fahrzeug-Funkschlüssel. Ein lohnendes Geschäft.

Hamburg. Das Plättchen ist winzig, misst gerade einmal vier mal vier Millimeter. Seine blanke, metallische Oberfläche ist in schwarzen Kunststoff gehüllt. Das Innerste besteht aus Silizium mit Tausenden fotografisch eingeätzten Schaltkreisen. Unscheinbar und kleiner als ein Fingernagel ist der Chip - und doch eine Innovation. "Er ist das weltweit kleinste Herz für einen Fahrzeugfunkschlüssel", weiß Kurt Sievers, der bei dem niederländischen NXP-Konzern das weltweite Autozuliefergeschäft leitet. Allein für die Entwicklung des Chips, der die Wegfahrsperre und den Türmechanismus steuert, hat der Halbleiterhersteller mehr als fünf Millionen Euro ausgegeben.

Eine lohnende Investition. Denn das Geschäft mit den Automobilzulieferern, die NXP-Chips in ihre Schlüssel integrieren, ist lukrativ. Zum einen, weil in jedem zweiten Schlüssel für die jährlich 80 Millionen neu gebauten Fahrzeuge ein NXP-Chip steckt und es "nur drei bis vier Marken" gibt, die nicht mit den Niederländern zusammenarbeiten. Hinzu kommt, dass jeder neue Schlüssel 15 Jahre lang vorgehalten werden muss. "So werden die Chips für Schlüssel bis zu 20 Jahre produziert", weiß Sievers, der auch Geschäftsführer am NXP-Standort in Hamburg ist. Allein der neue Typ soll künftig jährlich einen Umsatz im zweistelligen Millionenbereich bringen. Jedes Auto braucht zudem einen weiteren Chip, der die Signale aus dem Schlüssel empfängt. "Der kommt dann auch von uns", freut sich Sievers.

Der neue Mini-Chip, der vor allem für den Automassenmarkt konzipiert ist, stellt nur eine von mehreren geplanten Neuheiten dar. Der Trend geht zu immer mehr Elektronik im Schlüssel. So setzen sich Passiv-Schlüssel, die zunächst nur für Luxusautos geliefert wurden, nun auch in der Golf-Klasse durch. Der Chip darin öffnet den Wagen schon, wenn der Fahrer sich ihm auf etwa einen Meter nähert - ganz ohne einen Knopfdruck. Dazu erkennt der auf eine Person programmierte Schlüssel nach dem Einsteigen, den Fahrer. Dann stellt er Sitze, Spiegel oder Radiosender nach den eingegebenen Wünschen ein. Hilfreich vor allem, wenn ein Wagen von mehreren Fahrern genutzt wird.

Schon im nächsten Jahr wird die Entwicklung aber weitergehen. So soll für die USA ein Chip in Serie gefertigt werden, der zusätzlich mit dem Fahrer kommuniziert. Bis zu einer Entfernung von 1,5 Kilometern kann er bestätigen, dass das Auto abgeschlossen ist. Eine Diode am Schlüssel soll dies mit einem grünen oder roten Signal anzeigen.

Auch bis zur Verbindung von Schlüssel und Handy ist es nicht mehr weit. So wird es von 2013 an ebenfalls möglich sein, auf dem Schlüssel-Chip gespeicherte Informationen auf dem Telefondisplay sichtbar zu machen. Dazu muss der Schlüssel nahe an das Telefon gehalten werden. Hat der Chip sich die GPS-Daten des Autostandorts gemerkt, kann das Navigationssystem im Handy diese übernehmen und den Fahrer zum Standort seines Autos führen, den er in einer Großstadt sonst vielleicht nur schwer finden würde. Natürlich lassen sich im Schlüssel auch Daten wie Kilometerstand, letzter Ölwechsel oder andere technische Details speichern, die für Inspektionen per Handy jederzeit abrufbar sind. "Theoretisch lässt sich der gesamte Status eines Autos eingeben", sagt Sievers.

Im Hamburger Werk lastet die Produktion des neuen Schlüssel-Chips derzeit allein 100 Arbeitsplätze in der Entwicklung und im Marketing aus. Dazu wird der Chip in der Hansestadt hergestellt, wo etwa 1000 der insgesamt rund 1900 Mitarbeiter des Werks in der Produktion tätig sind. Nur zum Zersägen werden die Silizium-Scheiben, auf denen die Chips zunächst zu Tausenden aufgebracht sind, zwischendurch nach Thailand geflogen.

Nach ihrer Rückkehr, ebenfalls per Luftfracht, läuft ein umfangreiches Testprogramm an. So müssen die Miniplättchen auch nach Stürzen funktionieren. Temperaturen von minus 40 bis plus 125 Grad Celsius dürfen ihnen nichts ausmachen, und Funkwellen anderer Wagen sollen sie nicht stören. Denn sonst würde der Fahrer vor einem verschlossenen Wagen stehen.

Seit 1995, damals noch unter der Regie von Philips, haben sich die Hamburger die Schlüsselbranche immer mehr gesichert. Die Allianz-Versicherung lockte damals mit hohen Rabatten, wenn Autos mit elektronischen Wegfahrsperren ausgerüstet waren. Philips entwickelte den ersten Chip für diese Funktion. Noch heute gehen solche einfachen Schlüssel, mit denen sich der Wagen auch mechanisch öffnen lässt, vor allem in Entwicklungsländer.

Als die Wegfahrsperre für Neuwagen 1998 sogar bundesweit zur Pflicht wird, festigt sich das Geschäft. Konnte das Hamburger Werk von 1995 bis 1999 rund 100 Millionen Chips für Schlüssel absetzen, waren es seitdem rund 900 Millionen Stück. "Im kommenden Jahr", sagt Sievers, "knacken wir die Marke von einer Milliarde."

Dank dieser Zahlen steht der NXP-Konzern, der im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4,2 Milliarden Dollar (3,3 Milliarden Euro) erzielte, bei den Schlüssel-Chips weltweit auf Platz eins. Die Entwicklung von Chips lässt sich heute, gestützt auf jahrelange Erfahrungen, in ein bis zwei Jahren absolvieren. Für den neuen Chip sind die Tests nun abgeschlossen. "Jetzt liefern wir aus", sagt Sievers. Geheim bleibt jedoch noch, welche Automarke als erste die Kombination von Schüssel-Chip und Handy einführen wird. Nur so viel verrät der aus Augsburg stammende NXP-Manager: Es ist ein europäischer Autohersteller. Die meisten von ihnen sitzen bekanntlich in Deutschland.