Der 64-Jährige erschlich sich das Vertrauen einer Familie und missbrauchte die drei Kinder - dabei wirkte er wie der nette Opa von nebenan.

Hamburg. Der Mann mit den weiß-grauen Haaren, dem freundlichen Gesicht und der Hornbrille wirkte wie der nette Opa von nebenan. Manuela und Robert K. (alle Opfer-Namen geändert) waren mit ihren drei kleinen Kindern 2009 in ein Einfamilienhaus nach Niendorf gezogen. Helmut K., der sich als Freund ihres neuen Vermieters vorstellte, erwies sich rasch als dienstbarer Geist. Mal packte er beim Umzug mit an, mal half er bei Reparaturarbeiten im Haus. Der 64-Jährige wurde zu einem gern gesehenen Gast im neuen Heim.

Es dauerte nicht lange und die Eltern vertrauten dem ruhigen, in sich gekehrten Mann zeitweise ihre Kinder an. Doch so handwerklich geschickt Helmut K. auch war, so gut er zuhören konnte, so war er doch eines gewiss nicht: der nette Großvater von nebenan. Ohne es zu ahnen, hatte Familie K. einen Kinderschänder ins Haus gelassen.

Frau K. steht nach dem Prozess gegen den Peiniger ihrer Kinder vor Gerichtssaal 388. Von den Übergriffen hatten sie und ihr Mann nichts geahnt, bis sich erst ihr Sohn offenbart hatte, danach berichteten auch die zwei Töchter von ihrem Leid. Sie hat sich schwere Vorwürfe gemacht und vom Weinen rote Augen, wirkt aber, wenn man es denn überhaupt so nennen darf, zufrieden. Helmut K. ist gerade vom Landgericht wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs zu neun Jahren Haft verurteilt worden, eineinhalb Jahre mehr als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Eine in dieser Höhe bemerkenswerte Strafe.

Der Richter betonte, wie belastend das Filmmaterial für ihn gewesen sei

Der Vorsitzende Richter Wolfgang Franke hat in dem Urteil gegen K. die mehr als 20 Missbrauchsfälle bis November 2011 zusammengefasst und am Ende einer sehr sachlichen Begründung erklärt, wie die Kammer den Fall empfunden hat. Er, seine Kollegin, zwei Schöffen, der Verteidiger, der Staatsanwalt und die Nebenklägerin (die Mutter) waren gezwungen, sich die "Beweismittel" anzuschauen. K. hatte die Übergriffe gefilmt, sie aus unterschiedlichen Perspektiven und Blickwinkeln regelrecht inszeniert. Franke: "Das war auch für das Gericht eine große Belastung." Die schändlichen, abscheulichen Taten gehen weit über das hinaus, was in solchen Fällen noch als "üblich" gilt. Ein Justizbeamter sagt am Ende der Verhandlung: "Das ist das Schlimmste, was ich je gehört habe."

Das Martyrium der Kinder beginnt Anfang 2010. Mara wird sein erstes Opfer, gut einen Monat nach ihrem sechsten Geburtstag. Julian ist fünf, Mila gerade mal 17 Monate alt. Vor allem Julian hängt an dem Rentner.

Der nicht vorbestrafte 64-Jährige wusste da schon länger um seine pädophile Neigung. 2006 soll er einer Nachbarstochter Liebesbriefe geschrieben haben. Die Polizei hielt damals vorsorglich eine sogenannte Gefährderansprache, eine Art Warnschuss vor den Bug potenzieller Straftäter. Motto: Wir haben dich im Auge. Drei Jahre lang passierte nichts. Doch als K. die Chance bekam, seine Neigung auszuleben, nutzte er sie. Der 64-Jährige hat die Taten vor Gericht gestanden, jedoch deutlich weniger als angeklagt, und zunächst hatte er abgewiegelt. "Ich habe den Kindern nicht wehgetan", sagte K.

Die Kammer hat sich indes ein eigenes Bild gemacht: Sie sichtete all die demütigenden Aufnahmen und stellte fest, dass K.s Übergriffe mit der Zeit immer extremer wurden, dass er mehr und mehr die Wehklagen und Schmerzen seiner Opfer ignorierte. Eine Gutachterin hatte im Verfahren zudem Hinweise auf einen sexuellen Sadismus bei K. entdeckt. Die Jüngste, Mila, litt am häufigsten. K. verging sich an ihr, wenn er sie wickelte - mit seinen Fingern und auch Gegenständen. Als das Mädchen gerade zu sprechen begonnen hatte, sagte es bei einem schmerzhaften Übergriff auf dem Wickeltisch: "Hör auf." Doch K. hörte nicht auf. Er hielt, wenn überhaupt, nur für einen Moment inne.

Die Kinder müssen von einem Traumatherapeuten behandelt werden

K. verfügte über die Körper der Kinder, wenn die Eltern außer Haus waren, etwa wenn die Mutter eines der Kinder zum Musikunterricht brachte. Dann setzt er die anderen in Pose wie Erotik-Darsteller. In einem Zelt auf dem Dachboden hielt er eine Matratze und eine Schale mit süßen Weingummi-Mäusen bereit. Dort missbrauchte er die Kinder häufig, einmal sogar Julian und Mila gleichzeitig. Und immer lief dabei die Kamera. Als er sich einmal an der Ältesten verging, lobte er: "Du hast Talent."

Unbewegt sitzt K. neben seinem Verteidiger, als der Richter das Urteil verkündet. Er hat einen Schaden angerichtet, den er auch mit 15.000 Euro Schmerzensgeld und seinem "mea culpa" nicht mal im Ansatz gutmachen kann. Alle Kinder sind psychisch gestört und werden traumatherapeutisch behandelt, Mila und ihr Bruder greifen sich öffentlich an den Unterleib, Mara leidet unter heftigen Wutanfällen. Immerhin, die Therapie schlägt an. "Wer unsere Kinder sieht", sagt ihre Mutter zum Abendblatt, "würde sie auf den ersten Blick für ganz normal halten."

Mit 73 Jahren, vermutlich früher, wird K. aus dem Gefängnis entlassen. Die Forschung geht davon aus, dass bei Pädophilen mit steigendem Alter das Verlangen nach Kindern nachlässt. Nur: Sicher ist das nicht.