In Hamburg wird mit Public Relations aber mehr umgesetzt. Die Kunden fürchten jedoch einen Kontrollverlust im Internet.

Hamburg. Wenn bei der Deutschen Bahn etliche Verbindungen wegen ausfallender Klimaanlagen gestrichen werden, wenn die Ergo-Mitarbeiter Sexpartys feiern oder die A-Klasse von Mercedes in der Kurve kippt, sind die Kommunikationsexperten der PR-Branche - der Public Relations - gefragt. Die PR-Experten stehen für Beziehungen zur Öffentlichkeit, sollen das Bild eines Unternehmens in der Gesellschaft möglichst positiv erscheinen lassen, auch wenn gerade ein rufschädigendes Malheur passiert ist.

In Hamburg arbeiten Tausende Menschen in der Branche, die oft auch eine Vermittlerfunktion zwischen Firmen und Journalisten einnimmt. Der Umsatz der PR-Unternehmen ist von 2005 bis 2010 nach den aktuellsten verfügbaren Zahlen von 1,84 Milliarden Euro auf 1,88 Milliarden Euro gewachsen. "In immer mehr Firmen nimmt das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer professionellen PR-Beratung zu", sagt Dietrich Schulze van Loon, Inhaber der Kommunikationsberatung Molthan van Loon Communications.

Durch den gleichzeitig steigenden Anspruch der Firmen an ihre Reputationsberater vollzieht sich aber auch eine Konzentration in der Kommunikationsbranche: Obgleich der Umsatz bei den Hamburger Unternehmen in diesem Segment gestiegen ist, nimmt die Zahl der Firmen ab. "Viele kleinere Anbieter müssen aufgeben", sagt Schulze van Loon, der auch Ehrenpräsident der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) ist. So ist die Zahl der PR-Firmen von Mitte 2011 bis Mitte des laufenden Jahres von 1379 auf 1303 Betriebe zurückgegangen. In der Branche tummeln sich viele Einzelkämpfer, es gibt aber auch internationale PR-Netzwerke wie den US-Konzern Edelman mit mehr als 4500 Mitarbeitern weltweit und 170 Beschäftigten allein in Deutschland.

Besonders wichtig sei die Unterstützung von Unternehmen in Veränderungsprozessen. "Bei Übernahmen, Entlassungswellen oder Fusionen müssen alle Beteiligten von der neuen Situation überzeugt sein", sagt der 59-Jährige. "Nur wer davon überzeugt ist, wird die Veränderung konstruktiv begleiten, das gilt vor allem für die Mitarbeiter." Rund zwei Drittel der Veränderungsprozesse zeige heutzutage nicht den gewünschten Effekt, und das sei eben oft eine Folge von mangelhafter Kommunikation. Der Bewusstseinswandel, von dem die PR-Branche profitiert, wirkt sich auch bei Molthan van Loon Communications positiv aus. Die Firma mit 30 Beschäftigten plant, 2012 ihren Honorarumsatz um zehn Prozent auf gut 1,8 Millionen Euro zu steigern. Als neue Kunden betreuen die Hamburger mit Sitz in der HafenCity Tchibo, den Feinkosthersteller Kühne und Bertolli. Langjährige Auftraggeber sind die Allianz, Nivea und das Land Mecklenburg-Vorpommern.

Das Wachstum in der Branche wird auch durch den Trend zu den digitalen Medien beflügelt, mit Plattformen wie Facebook, Firmenwebsites oder digitalen Newslettern, die eine schnelle und weltumspannende Kommunikation ermöglichen. Mit all ihren Chancen und Risiken. "Für diesen Bereich haben wir extra eine eigene Abteilung mit fünf Mitarbeitern", sagt Schulze van Loon.

Auch die Hamburger Kommunikationsberatung fischerAppelt hat sich in Sachen Digitalisierung verstärkt, mit dem Kauf der Digitalagentur Fork. "Wir trotzen der Krise dank der Digitalisierung", sagt Andreas Fischer-Appelt. So habe seine Agentur etwa die ARD bei ihrer Olympiaseite im Internet unterstützt. Andere Aufgaben sind beispielsweise die Gestaltung von Webseiten, Auftritte auf Facebook, die Interaktion mit Kunden oder Spiele rund um die Marke, welche die Aufmerksamkeit für das Unternehmen erhöhen.

Oft geht es bei der Kommunikation im Internet aber auch um Schadensbegrenzung, Stichwort Whistleblowing, was so viel bedeutet wie verpfeifen. Wer heute unzufrieden mit einem Unternehmen ist, kann auf öffentlich zugänglichen Internetseiten wie Facebook oder über Twitter-Nachrichten seinem Unmut Luft machen, eine Art der Kritik, die sich rasend schnell ausbreiten kann. Dieser neue Zugang zur Öffentlichkeit verunsichert die Firmen, wie eine aktuelle Befragung von pr professional ergeben hat. 47 Prozent der Befragten fürchten verstärkt Kommunikationskrisen, mehr als 70 Prozent sehen immense Imageschäden auf ihre Unternehmen zukommen. Gut die Hälfte fürchtet einen Kontrollverlust über Informationen und Dokumente.

Für das laufende Jahr erwartet Fischer-Appelt mit seinen Kunden wie Daimler, Pfizer oder Coca-Cola auch als Folge der neuen Kommunikationsmöglichkeiten eine Steigerung der Erlöse im hohen einstelligen Prozentbereich.

In Hamburg beschäftigt fischerAppelt gut 100 Mitarbeiter und erzielte im vergangenen Jahr einen Honorarumsatz von insgesamt 31 Millionen Euro. Neuester Zugang in der Agenturgruppe ist auch eine Eventagentur, die Produkteinführungen, Messeauftritte oder Sponsorenveranstaltungen organisiert. "Heute müssen die Unternehmen Geschichten erzählen rund um ihre Produkte", nennt Fischer-Appelt einen weiteren Trend in der Branche. Emotionen zu bieten, den Kunden Erlebnisse zu ermöglichen, hebe eine Marke von den Wettbewerbern ab.