Ein Beschäftigter der Stadtteilreinigung erzählt, wie es sich anfühlt, bei der Stadtreinigung Mitarbeiter dritter Klasse zu sein

Hamburg. Max Meier (Name geändert) arbeitet für die Stadtreinigung Hamburg und gehört doch nicht dazu. Das kann man schon an seiner Arbeitskleidung sehen - Meier trägt eine gelbe Arbeitshose und eine blau-gelbe Arbeitsjacke; seine Kollegen haben orange Arbeitskleidung an.

Meier ist Kraftfahrer - wie sie. Er fährt Müllcontainer durch die Stadt - wie sie. Jeden Tag begibt er sich zum Treffpunkt, wo die Schichten losgeschickt werden - wie sie. Er hat die gleichen Dienstpläne - wie sie.

"Eigentlich gibt es nur zwei Unterschiede: die Arbeitskleidung und das Gehalt", sagt Meier. Max Meier ist bei der Stadtteilreinigungsgesellschaft (STR) angestellt. Die Firma soll sich am Markt um Aufträge in der Müllentsorgung in Stadtteilen und nach Großveranstaltungen bewerben. Doch tatsächlich ist Meiers Firma auch eine Leiharbeitsfirma - für ihren Mutterkonzern: die Stadtreinigung (SRH). "Die Gesellschaft STR stellt der SRH dauerhaft oder zeitlich begrenzt gewerbliches Personal zur Verfügung", so wird das Geschäftsprinzip im Konzernlagebericht der Stadtreinigung für das Jahr 2011 beschrieben.

Jahrelang geht das nun schon so. 1999 wurde die STR gegründet, Max Meier ist seitdem dabei. Er sagt, er habe ausschließlich für die Stadtreinigung gearbeitet - auf Lastwagen des Mutterkonzerns, mit Kollegen des Mutterkonzerns. Zu einem niedrigeren Lohn.

Die Stadtreinigung bezahlt ihre Mitarbeiter nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes. Weil sie den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsauftrag erfüllen. Die Tochterfirmen - die STR und auch die Wert GmbH - sind nach Auffassung der Stadtreinigung auf dem freien Müllmarkt tätig, in Konkurrenz zu Billiganbietern. Deshalb haben die STR und die Wert GmbH auch eigene Haustarife.

Solange die Töchter sich auf dem privaten Müllmarkt bewegen, ist die Argumentation des Mutterkonzerns stichhaltig. Nur: Die Mitarbeiter der Konzerntöchter werden an die Mutter verliehen - und erfüllen somit den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsauftrag. Beschäftigte der Wert GmbH kümmern sich im öffentlich-rechtlichen Auftrag um die blaue Papiermülltonne. Beschäftigte der STR ersetzen Fahrer, Auflader und Reiniger der Stadtreinigung - gut die Hälfte der 124 Mitarbeiter wird verliehen.

Trotzdem bekommen sie nicht das gleiche Entgelt wie die Kollegen in Orange. Ein Kraftfahrer steigt bei der STR mit 1674 Euro brutto im Monat ein, bei der Stadtreinigung würde er 1950,67 verdienen. Mit zunehmenden Berufsjahren steigt auch die Bezahlung: Bei der STR ist jedoch bei 2022,19 Euro Schluss mit den Entwicklungsmöglichkeiten. Zum Vergleich: Kraftfahrer der Stadtreinigung erhalten fast 500 Euro mehr in der Endstufe. Vergleichbare Unterschiede gibt es auch bei der Wert GmbH (siehe Tabelle).

Max Meier verdient 2022,19 Euro brutto im Monat. 1500 Euro bleiben davon übrig, sagt er. Meier hat vier Kinder, sein Gehalt reichte nicht. Seine Frau musste arbeiten gehen, damit die Familie über die Runden kommt. Die Beziehung sei mittlerweile daran zerbrochen, dass er und seine Frau keine Zeit mehr füreinander hatten, sagt Meier. Wenn er abends von der Arbeit kam, musste seine Frau los - sie arbeitete in der Gebäudereinigung.

Meier erzählt von den Straßenreinigern der Stadtteilreinigung. Sie verdienen 1400 Euro Einstiegsgehalt - 400 Euro weniger als die Kollegen vom Mutterkonzern. Viele von ihnen sind auf aufstockende Leistungen des Staates angewiesen. "Andere müssen zur Hamburger Tafel gehen und sich mit Lebensmitteln versorgen", sagt Meier. Viele Beschäftigte der STR, aber auch der Wert GmbH sind auf Nebenjobs angewiesen, gehen putzen, Möbel packen.

Die Dreiklassengesellschaft bei der Stadtreinigung spaltet auch die Belegschaft. Meier sagt, dass es Kollegen bei der Stadtreinigung gebe, die auf die Beschäftigten der Töchtergesellschaften herabblickten. "Wir wurden schon als ,Tagelöhner' beschimpft. Oder als ,ADAC-Fuzzis', wegen unserer gelben Kleidung." Meier erzählt von dem Kollegen, der parallel zu ihm vor mehr als 13 Jahren bei der Stadtreinigung anfing. "Mein Kollege hat ein Haus - ich nicht."

Seit gestern geht auch bei der Stadtteilreinigung die Nachricht um, dass Schluss sein soll mit dem internen Verleihen. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat sich eingeschaltet, erfuhren die Beschäftigten. Und externe Leiharbeiter, die von Zeitarbeitsfirmen kommen, sollen künftig den gleichen Lohn bekommen wie die Beschäftigten, die sie bei der Stadtreinigung ersetzen. Für die Wert GmbH wurde diese Regelung in den vergangenen Tagen schon umgesetzt - bis Jahresende soll sie auch im Gesamtkonzern gelten.

Natürlich finden die Beschäftigten der STR es gut, dass für gleiche Arbeit künftig der gleiche Lohn gezahlt werden soll. Aber: Welche Zukunft hat ihre Firma noch, wenn ihr das Geschäftsmodell entzogen wird? Wohl keine. Max Meier und seine Kollegen befürchten, dass die STR jetzt abgewickelt wird. Und dann? Wer wird von der Stadtreinigung übernommen? Zu welchen Konditionen? Gibt es neue Arbeitsverträge mit Probezeit? Weil alle diese Fragen ungeklärt sind, möchte Max Meier seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Er hat Angst um seinen Job.

Das Abendblatt hat den Sprecher der Stadtreinigung, Reinhard Fiedler, gefragt, welche Zukunft die STR ohne konzerninterne Verleihe hat. Die Antwort: "Dies kann zurzeit nicht abschließend beantwortet werden." Die Stadtreinigung arbeite daran, "eine Beschäftigung der STR-Mitarbeiter sicherstellen zu können".