Viele Dienstleister tun sich mit Kundenfreundlichkeit noch immer schwer. Es wird Zeit, dass sich dies ändert

Warum fällt uns Deutschen Service eigentlich so schwer? Noch immer passiert es häufig, dass sich Kunden beim Einkauf wie Parasiten fühlen: "Entschuldigung, dass ich bei Ihnen Geld ausgeben möchte."

Service sei für Unternehmer ein Kostenfaktor und damit nicht zum Nulltarif zu haben, sagen die, denen Begriffe wie Kundenorientierung eher holprig über die Lippen kommen. Das klingt so, als würden sich günstig und freundlich per se ausschließen.

Nein, das kann's ja wohl nicht sein! Service und Wertschätzung sollten Selbstverständlichkeiten sein - egal, ob im Discounter, beim Friseur oder an der Kneipentheke. Wer sich um seine Kunden kümmert, indem er in deren Wohlgefühl investiert, wird mit höheren Umsätzen und Wiederholungskäufern belohnt. Wer hingegen meint, diejenigen, die ihn für Produkte oder eine Dienstleistung bezahlen, würden ihm nur Zeit stehlen und Nerven kosten, kann über kurz oder lang schließen. Service darf also keine Frage des Preises sein, sondern ist zwingend erforderlicher Teil einer cleveren Vermarktungsstrategie. Die, die das wissen, dürfen damit gern klappern und ihr König-Kunde-Konzept an die große Glocke hängen. Denn: Wer in dieser Disziplin glänzt, fällt hierzulande leider nach wie vor auf.

Dass Deutschland weiterhin getrost als Servicewüste bezeichnet werden darf, verdeutlicht eine Reise ins Ausland. Amerika macht uns seit Jahrzehnten vor, wie es geht. Selbst da, wo Freundlichkeit nicht mit dem vielerorts obligatorischen "One-Dollar-Tip" belohnt wird, stehen Nettigkeiten hoch im Kurs. Wer etwas will und dafür Geld ausgibt, der erhält ein Extra an Aufmerksamkeit. Dabei muss man es mit der Freundlichkeit gar nicht so übertreiben, wie es einem in den USA oft begegnet: Betritt jemand einen Laden, erwartet er allein dafür keinen Begeisterungssturm der Mitarbeiter. Es ist ja gut möglich, dass er gar nicht in der Absicht kommt, etwas zu kaufen, sondern sich nur umsehen will. All zu viel Überschwänglichkeit der Bedienung wird schnell als Kaufdruck empfunden. Das will man ja nun auch wieder nicht.

Das richtige Maß zeigen die Briten. In England wird der Kunde nicht überfallartig belagert, sobald er die Eingangstür passiert hat. Aber er kann sich kompetenter Beratung, attraktiver Rabatte und - nicht zu vergessen - einer jederzeit freien Wahl der Bezahlung sicher sein. Nicht nur in Großstädten wie London undenkbar: Taxis, Restaurants und Geschäfte, in denen Zahlung mit Kreditkarte nicht möglich ist. Dort akzeptiert nahezu jeder Automat das praktische Plastikgeld. Selbst wenn es nur um zwei Pfund geht.

Auch vermeintliche Sparpreise, die bei genauerer Betrachtung gar nicht das suggerierte Top-Angebot darstellen, gibt es in vielen anderen Ländern so nicht. Wird ein Rabatt versprochen, hat dieser seinen Namen auch verdient: "Zahl die Hälfte", "Zwei für eins" oder "20 Prozent für Studenten auf alles" sind Aktionen, die das ganze Jahr laufen. Bei uns sind solche Offensiven meist auf Schluss- oder Räumungsverkäufe beschränkt. Dabei ist auch attraktive Preispolitik eine Form von Service.

Mit dem Einstieg internationaler Ketten in den deutschen Markt hat es die Miesepetrigkeit von Dienstleistern und Verkaufspersonal immer schwerer. Haben sie die Wahl, gehen Kunden dorthin, wo sie gut bedient und nett behandelt werden. Fast alle Konzepte, die in den vergangenen zehn Jahren mit Erfolg nach Deutschland kamen, setzen ausdrücklich auf Kundenfreundlichkeit.

Schade, dass auch dies ein Trend ist, der erst zu uns rüberschwappen muss. Denn moderne Servicepolitik verlangt fortlaufend nach Innovationen, erfordert die ständige Weiterentwicklung des Kunden-Komforts. Keimzelle für neue Ideen auf diesem Sektor ist selten Deutschland. Das ist schade, weil damit ein Wirtschaftsfaktor ungenutzt bleibt. So war es früher auch in England, die Briten haben den Dienst am Kunden keineswegs erfunden. Margaret Thatcher war es, die mit ihrer Wirtschaftspolitik statt auf Industrie voll auf Dienstleistungen setzte. Ihrem Land eröffnete sie damit Perspektiven auf ganz neuen Unternehmensfeldern.

In Deutschland ist da noch Luft nach oben: "Service made in Germany" - das ist eine echte Marktlücke, die es zu schließen gilt!