Sie wollen einsamen Menschen in EiIbek einen Treffpunkt bieten und Senioren im Haushalt helfen. Es werden noch Räume gesucht.

Carl ist acht Jahre alt, und sein Held ist Luke Skywalker aus "Star Wars", der mit dem Jedi-Schwert. Carls Mutter Jules Buchholtz ist 34 Jahre alt, und anfangs fand sie das gar nicht gut mit dem Krieg und dem Schwert, sie brachte ihrem Sohn lieber Videos von Buster Keaton mit. Es dauerte eine Weile, bis sie merkte, was es so auf sich hat mit diesen Helden. Helden, das sind für Kinder die, die mutig sind und Gutes tun, aber keiner wie Superman, der zu glatt ist, um wirklich zu sein. Eher einer wie Luke Skywalker, der schmächtig ist und zweifelt, oder einer wie Batman, in dessen Seele Abgründe schlummern. "Ein Held", sagt Jules Buchholtz, "darf nicht perfekt sein. Er muss auch Brüche haben, um bewundert zu werden."

Dass man nicht perfekt sein muss, um ein Held zu sein - das ist eine Lektion, die nun dem Stadtteil Eilbek zugutekommen soll. Jules Buchholtz wohnt dort, sie ist Künstlerin und hat Theaterwissenschaften studiert, eine schmale Frau mit viel Energie. Zurzeit schreibt sie an einer Doktorarbeit mit dem Thema "Szenerien und Zukunftsvisionen", es ist vor allem wissenschaftliche Theorie. Sie hatte das Gefühl, nebenher auch etwas Praktisches tun zu müssen.

Die Idee fand sie vor ihrer Haustür. Dort nämlich, in Eilbek, schließen immer mehr Geschäfte - vor allem die, die früher den täglichen Bedarf deckten und Treffpunkt waren für die Nachbarn. Dort im Stadtteil gibt es auch viele Kinder, die nachmittags oft unbeaufsichtigt sind und sich die Zeit mit Fast Food und Computerspielen vertreiben. Und dort gibt es immer mehr ältere Menschen, um deren grundlegendste Bedürfnisse sich zwar Pflegedienste kümmern, die aber niemanden haben, der ihnen mal Brötchen holt oder die Einkaufstüte trägt. Drei Entwicklungen, drei Probleme, die Jules Buchholtz gemeinsam mit der Eilbeker Einkaufsmeile und der Grundschule Richardstraße nun angehen will. Denn Helden, das ist die Grundüberlegung, können alle sein: jederzeit, überall und in jedem Alter. Und gerade heute, wo Nachbarschaften bröckeln und soziale Strukturen zerbrechen, sind sie vielleicht so nötig wie selten.

Die Idee also: ein neues Geschäft für den Stadtteil. Eine Heldenagentur. Einen "Secret Service Eilbek", ganz real und unter fester Adresse. "Das wohl einzige Geschäft der Welt, in dem man nichts kaufen kann und das von Kindern betrieben wird", sagt Jules Buchholtz. Die Ware, die angeboten wird, ist Hilfsbereitschaft. Das kann heißen, die Blumen zu gießen oder Einkäufe zu erledigen. Das kann aber auch heißen, einfach da zu sein und zuzuhören, wenn jemandem etwas auf dem Herzen liegt. Es ist eine Ware, die es gratis gibt und die selten geworden ist.

Uwe Becker ist Sprecher der Interessengemeinschaft Eilbeker Einkaufsmeile, er sieht die Veränderungen jeden Tag im Stadtteil. Wenn Geschäfte schließen, rücken meist Nagelstudios oder Spielhallen nach. "Das brauchen wir nicht", sagt er. "Wir brauchen die Tante Emma. Etwas wie die Läden früher, wo eine alte Frau einen Liter Milch kaufen und sich dabei ihre Probleme von der Seele reden konnte." Wenn in Zukunft jemand Ärger hat oder Hilfe sucht, wenn jemand vielleicht nur plötzlich einen Regenschirm braucht - dann soll die Heldenagentur offen stehen.

Dort wird ein Team aus Kindern im Alter von acht, neun Jahren zusammen mit einem Betreuer sitzen und alle Probleme zu lösen versuchen. "Wir wollen beides zusammenführen", sagt Becker: "Die Kinder, die oft unbeschäftigt sind, und die älteren Menschen, die jemanden brauchen." Die Grundschule Richardstraße und der Hort Richardstraße sind schon mit im Boot, aus ihren Reihen würden die kleinen Helden und Heldinnen rekrutiert. Sie werden gemeinsam mit Jules Buchholtz das Projekt auch als Audio-Guide durch den Stadtteil und in einem Theaterstück künstlerisch verarbeiten. In einer Vorbereitungsphase sollen die Kinder erst überlegen, was einen Helden wirklich ausmacht, und dann, welche Fähigkeiten sie selbst besitzen. "Die Kinder sollen merken, dass ein Held nicht nur jemand ist, der mit dem Jedi-Schwert kämpft oder durch die Luft fliegen kann", sagt Schulleiterin Annegret Fuhse. "Sie sollen merken, dass Heldentaten im Kleinen anfangen und dass man auch in der unmittelbaren Umgebung viel bewirken kann."

Wenn alles so läuft wie gewünscht, soll sich ein Netzwerk im Stadtteil entwickeln, ein Netz von Kontakten und Hilfeleistungen, an dem auch Erwachsene mitwirken. "Wir freuen uns natürlich über finanzielle Hilfe, aber auch, wenn jemand vorbeikommt und uns seine Kenntnisse oder Material anbietet", sagt Jules Buchholtz. "So wissen wir dann, an wen wir uns mit welchem Problem wenden können."

Noch steht das Projekt am Anfang. Buchholtz und Becker suchen nach Fördermöglichkeiten und schreiben Institutionen im Stadtteil an. Das größte Problem ist der Raum. Sie brauchen einen leeren Laden, und den möglichst günstig, vielleicht sogar gratis - idealerweise an der Wandsbeker Chaussee und mit Fenster zur Straße, um sichtbar zu sein für alle. Eine Sitzecke soll eingerichtet werden, Tee, Kaffee, dazu ein Arbeitsplatz mit Computer und draußen ein Briefkasten, in den man Aufträge einwerfen kann. Der Beginn der Agentur ist für Januar 2013 geplant.

Noch, das wissen alle Beteiligten, ist es eine Vision, und natürlich ist es auch ein Stück Idealismus. "Aber es ist gut, über eine bessere Welt nachzudenken", sagt Becker. "Und es ist besser, selbst etwas zu tun, als nur zu warten und sich über die Politik zu beklagen."