Auf die nächste Woche freue ich mich ganz besonders - mit meinem zwölfjährigen Sohn fahre ich für ein paar "Männertage" an die Nordsee. Gemeinsam Rad fahren, Strandspaziergänge und Drachen steigen lassen. Natürlich wird der Drachen selbst gebaut. "Ganz klassisch", so mein Vorschlag: mit Tapetenleisten, Transparentpapier, Paketschnur, ein bisschen Mehl und Wasser als Klebstoff. Mein Sohn sieht mich mit großen Augen an. "Was soll denn das werden?" Karbongestänge, Stabverbinder und Spezialfolie sind seine Stichworte.

Zwei Welten prallen aufeinander. Jeder hat seine Vorstellungen, wie ein Drachen konstruiert werden muss. Wir beschließen, beide Drachen zu bauen. Und dann soll verglichen werden: Konstruktionsaufwand, Flugverhalten, Spaßfaktor. Ich bin sicher, dass ich in den meisten Kategorien unterliegen werde. Aber in einer Disziplin sehe ich mich schon vorab als Gewinner: Mein Drachen garantiert mir Entspannung: einfach steigen lassen, den Anblick genießen und den eigenen Gedanken nachhängen. Und natürlich eine Himmelspost auf die Reise schicken. Ein Schnipsel Papier, mit ein paar Worten bekritzelt, wird eingerissen und auf die Drachenschnur gesetzt. Wenn alles gut geht, wird er als Himmelspost langsam nach oben "fahren". Manchmal waren es konkrete Wünsche, die wir früher als Kinder aufschrieben, manchmal aber nur einzelne Worte. Auf jeden Fall aber war es meist unverständlich für andere. Das, was auf dem Zettel stand, ging nur mich etwas an - und den Himmel. Heute kann ich benennen, was es für mich war - eine Form des Gebets.

Auch das gehört zu "Männertagen": sich die unterschiedliche Sicht auf die Welt erklären, sich austauschen und Verständnis füreinander entwickeln. Ich werde hoffentlich ein wenig mehr von Hightech-Lenkdrachen begreifen. Und mein Sohn versteht hoffentlich hinterher besser, was mir mein Drachen bedeutet. Und meine Himmelspost. Vielleicht entdeckt er dabei eigene Möglichkeiten, Wünsche und Gebete auf seine Weise zu äußern. "Männertage" - das können Tage mit Tiefgang werden. Und mit Drachen am Himmel.

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