Zum Tag der offenen Moscheen präsentierte sich das Gotteshaus an der Alster allen Hamburgern. Deutschlandweit etwa 100.000 Besucher.

Uhlenhorst. Das, was die Propheten einst getan haben, sei nichts anderes gewesen als "Marketing im Namen ihres Herrn", sagt Mohammad Hosseini und drückt dem Besucher eine Papiertüte mit dem Logo der Imam-Ali-Moschee an der Alster in die Hand. Darin ein Infoblatt zum 50. Jubiläum der Moschee, zwei Postkarten (Abbild der Bronzekuppel von innen; Spruchkarte: "I Love My Mosque") und ein wenig türkischer Honig.

Der gestrige Tag der offenen Moschee hatte gleich zu Beginn etwas vom Charakter einer Handelsmesse. Es ging um ernsthafte Informationen im lockeren Gewand. "Zu lange haben die falschen Leute das Wort für die islamischen Gemeinden ergriffen, das wollen wir ändern", sagt der diplomierte Wirtschaftsinformatiker und Sprecher der Moschee, Mohammad Hosseini.

Seit nunmehr 15 Jahren gibt es den Tag der offenen Moscheen in Deutschland. Und es ist kein Zufall, dass sich die Veranstaltung mit dem Tag der Deutschen Einheit das Datum teilt. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland führte die Aktion 1997 ein, um das "Selbstverständnis der Muslime als Teil der Deutschen Einheit und ihre Verbundenheit mit der Gesamtbevölkerung" zum Ausdruck zu bringen. Mehr als 600 Gemeinden in ganz Deutschland beteiligten sich gestern daran und öffneten ihre Pforten für etwa 100.000 Besucher.

Rund 40 von ihnen folgen wenig später Mohammad Husseini auf seiner Führung durch das Gotteshaus an der Alster. Es gibt viel türkise Farbe und Ornamente zu sehen, einen runden Gebetsraum. Und einen sakralen Superlativ, wie ihn gefühlt jedes Gotteshaus hat, das etwas auf sich hält, gibt es auch: Der kreisrunde Gebetsteppich unter der Kuppel ist der größte Rundteppich der Welt mit rund 80 Millionen Knoten. Die Besucher nicken. Aber wie ist das denn jetzt mit der Fehlinterpretation des Islam durch radikale Muslime? Und wie passen ein Kopftuch und die Gleichberechtigung der Frau zusammen? Und was ist eigentlich der Dschihad? Nach rund 15 Minuten ist Mohammad Hosseini mitten in der Diskussion angekommen, die er noch oft führen wird an diesem Tag. Es geht um offene Fragen, Wertevorstellungen und, ja, auch um Vorurteile.

Rund um die schiitische Moschee ist dabei Jahrmarktatmosphäre. Es gibt eine Hüpfburg für Kinder, orientalische Speisen und einen Bücherverkaufstisch. Dort zu finden sind ein Buch über die persische Küche, 28 Euro, ein türkischsprachiger Koran, 10 Euro. Und ein digitaler Gebetezähler, 4 Euro. Dazwischen immer wieder Begegnungen, in denen sich Erstbesucher als solche zu erkennen geben. Am Essensstand, zwischen gestampften Auberginen und Baklava (Blätterteiggebäck), fragt eine Verkäuferin mit Kopftuch einen offensichtlich suchenden blonden Mann: "Kann ich Ihnen helfen?" Dieser erwidert: "Ja, ich hätte gerne eine Currywurst mit Pommes."

Verirrungen dieser Art bleiben aber selten. Spürbar ist, dass wer an diesem Tag hierhergekommen ist, sich mit seinen eigenen Vorurteilen auseinandersetzen will. "Warum beten Männer und Frauen denn getrennt?", fragt ein Besucher. Hosseini erklärt, dass es vielen Frauen unangenehm sei, die nötigen Verbeugungen auf Augenhöhe mit Männern zu vollziehen. "Im Übrigen beten in unserer Gemeinde Männer und Frauen in einem Raum. Die Männer vorne, die Frauen dahinter." Überraschte Gesichter schauen Hosseini an. "Die Menschen stellen diese Fragen ja nicht aus Angst, sondern im Vertrauen, Antworten zu bekommen", sagt er.

Mit weichen Gesten und ruhiger Stimme versucht sich der 30-Jährige mit seiner schwarz umrandeten Brille weiterhin als Antwortgeber. Als Beispiel für Frauen, die trotz Kopftuchs ihren Individualismus leben, zeigt Hosseini auf zwei junge weibliche Gemeindemitglieder mit modischen Kopftüchern und in engen Jacken. Beide kichern, als auf sie gezeigt wird. Dann greift eine andere Frau in ihre Tasche, zieht etwas heraus und sagt: "Ich habe auch ein Tuch mitgebracht."

Es sind erste Annäherungen und damit die Art von Gesten, die Mohammad Hosseini am Herzen liegen. "Diese Moschee ist offen für Menschen aller Religionen und Kulturen", sagt der gebürtige Iraner. Wenn er von seiner Gemeinde spricht, benutzt er oft das Wort Vernunft. Es gebe Grundwerte, so sagt Hosseini, die für das Zusammenleben aller Menschen wichtig seien, wie etwa Liebe, Sicherheit oder eben die Vernunft. "Da kann doch ein Kopftuch oder ein Bart nicht das Element sein, das uns voneinander trennt."

Es ist die Stimme eines aufgeklärten Moslems, der wie er selbst sagt erst spät zum Islam fand, obwohl seine Eltern ihm die Religion vorlebten. Seitdem sucht Hosseini nach Argumentationsmustern und Antworten. Sprachbarrieren hätten zu lange dafür gesorgt, dass man "stumm" gewesen sei. Leute wie der islamistische Prediger Pierre Vogel hätten in der Zwischenzeit ein zu starkes Gewicht in der Öffentlichkeit bekommen, sagt Hosseini.

Vor anderthalb Jahren hat er deshalb ein Team aus jungen Muslimen gebildet, um die Anliegen der Gemeinde besser zu vermarkten. Die Imam-Ali-Moschee, an der täglich Hunderte Hamburger beim Alsterspaziergang vorbeikommen, bekam daraufhin die Wortmarke "blaue Moschee" verpasst. "So wird sie ohnehin von vielen Bürgern genannt", sagt Hosseini. Das neue Logo der Moschee zeigt das Gotteshaus inmitten der stilisierten Skyline Hamburgs. Es sind selbstbewusste Symbole, die Selbstverständlichkeit suggerieren sollen - eine Selbstverständlichkeit, die erkämpft werden musste.

"Manchmal ist es auch anstrengend, auf die immer gleichen Vorurteile einzugehen", sagt Hosseini. Selbst einige Gemeindemitglieder würden sich die Postsendungen der Moschee nicht nach Hause oder an den Arbeitsplatz zustellen lassen wollen, weil sie Angst vor Ausgrenzung durch Kollegen und Nachbarn hätten. Dagegen helfe nur die "wahre Botschaft des Islam, von Frieden und Toleranz" in der Gemeinde und nach außen hin zu verbreiten. Das, so sagt Hosseini zu der Besuchergruppe, sei sein persönlicher Dschihad und klärt nach kurzer Verwirrung auf: "Meine Anstrengung auf dem Wege Gottes."