Eine Würdigung von Iris Hellmuth

Sie betritt die Bühne in weißen Turnschuhen, sie ist ziemlich aufgeregt. Das Pult der vier Juroren liegt vor ihr, in Licht getaucht. "Was singst du uns heute?", fragt Gary Barlow von Take That, er ist Mitglied der Jury beim britischen "X Factor". ",I Believe' von Cher", sagt Ella Henderson, 16 Jahre, Gary Barlow wünscht ihr viel Glück. Dann beginnt sie. Dann beginnt das, was man auch eine Woche und vier Millionen YouTube-Klicks später kaum in Worte fassen kann - weil es dafür inzwischen zu groß geworden ist. So wenige Szenen dieser Art gibt es im Fernsehen, vielleicht gibt es sie auch nur alle fünf Jahre. Paul Potts 2007. Ella Henderson 2012. Es sind Momente, die uns nur Castingshows verschaffen, so sehr man sie auch für alle anderen Momente verachtet. Es sind Szenen, die später und zu einer Collage verdichtet eine unaufhaltsame Kraft bekommen - auf Mobiltelefonen, auf dem Computer zuhause.

Ella Hendersons Version von "I Believe" ist eine Demonstration - die Demonstration einer 16-Jährigen, die vielleicht gar nicht weiß, wie ihr gerade geschieht. Während sie singt, werden die Gesichter der Juroren gezeigt. Ein Glanz liegt darin, von Anfang an. Caroline Flack hebt die Arme, hilflos, als würde sie sagen: Ich weiß nicht, was da gerade über mich kommt. Anfangs hält sie die Tränen zurück, später lässt sie sie laufen. Wie vielen der vier Millionen es wohl genauso ergeht.

Das Video: abendblatt.de/henderson